Fünf Rentenprojekte fix, drei Baustellen bleiben
Mit dem Neujahr 2021 begann das Bundestagswahljahr. Das bietet Anlass genug, sich neun Monate vor dem Urnengang einen Überblick über die Umsetzung des Koalitionsvertrages im Bereich der Gesetzlichen Rente zu verschaffen.
Der Soll-Ist-Abgleich ergibt zunächst eines: An Tempo hat es die Bundesregierung bei der Umsetzung der Rentenprojekte in dieser Legislatur nicht mangeln lassen. Obwohl sie verspätet an die Arbeit ging, waren nach drei Viertel der Regierungszeit etwa zwei Drittel der geplanten Vorhaben umgesetzt. Drei offene Baustellen bleiben noch. Aber der Reihe nach.
Bereits 2018 reformierte die Große Koalition ein weiteres Mal die Erwerbsminderungsrente, nachdem die Leistungen bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode verbessert worden waren. Nunmehr gilt die Zeit vom Eintritt der Erwerbsminderung bis zur Regelaltersgrenze komplett als rentenrechtliche Zurechnungszeit. Die Rentenversicherung nimmt dadurch fiktiv an, dass Erwerbsgeminderte bis zum Erreichen der Regelaltersrente gearbeitet haben und so verdienten wie im Durchschnitt davor. Je nach Alter bei Eintritt der Erwerbsminderung fällt allerdings wegen des vorzeitigen Rentenbeginns ein Abschlag von bis zu 10,8 Prozent an.
Haltelinien blieben bislang ohne Wirkung
Eine Neuerung im Rentenrecht, die allerdings unter vielen Experten stark umstritten ist, war die Einführung der Haltelinien für Beitragssatz (20 Prozent) und Rentenniveau (48 Prozent). Sie bleiben bis zum Jahr 2025 in Kraft. Bislang entfalteten sie aber noch gar keine Wirkung. Weder der Beitragssatz noch das Rentenniveau rissen die festgelegten Grenzen.
Wie bei der Erwerbsminderungsrente folgte auch bei den Kindererziehungszeiten für Geburten vor 1992 ein weiterer Reformschritt, die sogenannte Mütterrente II. Für Geburten vor diesem Jahr bekommen Mütter nun 30 Monate Kindererziehungszeit. Anders als bei der Verbesserung der EM-Renten greift diese Ausdehnung nicht nur für den Rentenzugang, sondern für den kompletten Bestand. Die Verbesserung selbst war öffentlich wenig umstritten, die Finanzierung dagegen sehr. Sie erfolgt nämlich aus Beitragsmitteln. Die Kritiker verlangten dafür Steuermittel.
Bei der Grundrente knickte die CDU ein
Der größte Brocken, der auch den heftigsten Widerstand selbst in der Regierungskoalition auslöste, war die Grundrente. Hier setzten sich die SPD und namentlich der Bundesarbeitsminister weitgehend mit ihren Vorstellungen durch. Die CDU, die lange Zeit andere Pläne zur Vermeidung von Altersarmut verfolgte, knickte letztendlich ein. Die Grundrente ist zwar als Gesetz abgehakt, wird aber die Rentenexperten noch länger beschäftigen. Die Auszahlung der damit verbundenen Aufschläge auf niedrige Renten kommt nicht wie geplant zu Beginn dieses Jahres, sondern erst mit erheblicher Verspätung. Die Große Koalition hat ein verwaltungstechnisches Monstrum geschaffen, das der Rentenversicherung unbeschreiblichen Zusatzaufwand beschert.
Das fünfte abgehakte Rentenprojekt aus dem Koalitionsvertrag war die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“. Sie sollte Vorschläge zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung insbesondere für die Zeit nach 2025 entwickeln. Die Kommission tagte zwei Jahre lang. Dabei kam allerdings nicht viel heraus.
Höhere Mindestrücklage: Verständigung in Sicht
Drei Vorhaben sind noch offen. Die Rentenversicherung braucht eine Neuregelung für ihre Mindestrücklage. Sie ist derzeit mit 0,2 Monatsbeiträgen zu niedrig, um mögliche heftige Schwankungen im Beitragsaufkommen wirksam abzufedern. Dafür liegt ein Vorschlag auf dem Tisch. Beobachter der Berliner Politik sind guten Mutes, dass die Regierung das bis zum Herbst 2021 noch schafft.
Das zweite offene Vorhaben ist zumindest angepackt: die digitale Rentenübersicht. Dafür hat die Regierung das Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht. Wenn alles gut läuft, beginnt die Installation ab Anfang dieses Jahres. Es dauert dann aber immer noch bis zum Herbst 2022, bis sich die ersten Rententräger an die neue Plattform andocken können. Das soll dann zunächst erst freiwillig geschehen.
Absicherung der Selbstständigen: Scheitern nicht ausgeschlossen
Als dritte und größere Baustelle bleibt die Altersabsicherung der Selbstständigen. Dazu gibt es seit kurzer Zeit zumindest einen Eckpunkteplan aus dem Bundesarbeitsministerium. Er hat aber schon massive Kritik ausgelöst. Je näher der Bundestagswahlkampf rückt, desto mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Regierungsparteien an diesem Rentenprojekt verkämpfen und auch in dieser Legislaturperiode dafür keine Lösung finden.
Nimmt man zur Gesetzlichen Rente noch die private Altersvorsorge hinzu, weist die vorläufige Bilanz eine weitere große Fehlstelle auf: die Reform der Riester-Rente. Bis in den Dezember 2020 hinein hatten viele gehofft, dass ein Gesetzentwurf dafür auf den Tisch kommt. Die Verbände der Anbieter hatten schon vor Monaten ihre Hausaufgaben erledigt. Die zuständigen Ministerien blieben jedoch säumig.
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