Frauen sind die besseren Anleger
An den Kapitalmärkten sind Frauen die besseren Anleger, investieren aber deutlich seltener ihr Geld in Aktien als Männer. Welche Anreize können mehr Frauen zum Anlegen bewegen?
Diese Frage hat das Deutsche Institut für Altersvorsorge dem Kapitalmarktexperten Alexander Braun vom Beratungsunternehmen Capco gestellt. Braun berät Unternehmen dabei, wie eine stärkere Aktienquote bei Frauen gelingen kann.
Die deutliche Mehrheit der deutschen Anleger ist immer noch männlich. Studien zeigen jedoch, dass Frauen die erfolgreicheren Investoren sind, weniger Risiken eingehen und Sparziele konsequent verfolgen. Für Banken und Broker stellt sich daher die Frage, wie das noch weitgehend unerschlossene Potenzial der Sparerinnen für eigene Produkte gewonnen werden kann.
Herr Braun, welche Anreize kann man schaffen, um mehr Frauen zum Anlegen zu bewegen?
Zunächst einmal ist es wichtig, die wirtschaftlichen Grundlagen zu vermitteln sowie Produkte zu erklären. Was ist eine Aktie, was ein ETF? Wer an den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt der Menschheit glaubt, kann mit einen All Country World ETF von der Innovations- und Wirtschaftskraft der 3.000 größten Unternehmen weltweit profitieren. Über einen langfristigen Zeitraum kann sich der Anleger hier historisch betrachtet an attraktiven Renditen erfreuen. Die Potenziale – etwa im Bereich Digitalisierung, Medizintechnik – geben wenig Anlass zur Sorge, dass sich dies ändern wird. Ich glaube, dass Bildungseinrichtungen und Politik hier helfen sollten, das Verständnis zu verbessern.
„Nach wie vor haben Aktien ein Imageproblem, es gibt eine irrationale Angst vor den Finanzmärkten. Viele sehen darin ein Thema, das nur für Reiche relevant ist.“
Im Bereich der Anbieter ist bereits viel passiert. Neobroker, Direktbanken und andere Geldhäuser bieten attraktive Konditionen. Gerade Frauen werden besonders adressiert. Etwa über Blogs wie bei der Comdirect. Auch Direktbanken setzen verstärkt auf Beratung. Gerade bei Frauen kann das helfen, Bedenken auszuräumen. Für weibliche Anleger ist das Bedürfnis, sich zu informieren und bei Ansprechpartnern zu Ideen rückzuversichern, besonders stark. Es lässt sich außerdem beobachten, dass Frauen ein sehr starkes Interesse an bestimmten Themen haben, etwa an der Nachhaltigkeit. Entsprechende Produkte erfahren eine bessere Resonanz.
Muss schon in den Schulen ein Umdenken stattfinden?
Das glaube ich tatsächlich. Jeder Abiturient kann Gedichte analysieren und Scheitelpunkte berechnen. Doch in Finanzfragen sind unsere Schüler gänzlich unbedarft. Steuererklärung, Anlage und Versicherungen sind im Alltag höchst relevant – jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Ich sehe hier wirklich Nachholbedarf aber auch Chancen. Ein wirtschaftliches Grundverständnis trägt dazu bei, Risiken wie Möglichkeiten besser abschätzen zu können. Gerade die Jüngeren müssen das Thema Altersvorsorge proaktiv angehen. Unser Rentensystem wird in den nächsten Dekaden an seine Grenzen stoßen. Dies steht zwar als Problem im Raum, es fehlt aber an Lösungen. Der Staat zögert, in Aktien zu investieren, gleichzeitig wird aber keine Aufklärung für Schüler forciert. Das birgt Konfliktpotenziale.
Warum packt das Aktienfieber eigentlich häufiger Männer?
Männer gehen bei der Geldanlage per se risikoreicher ans Werk als Frauen. Dieses Verhalten ist im Übrigen nicht nur bei Investitionsentscheidungen zu beobachten, sondern in vielen Lebensbereichen – etwa im Straßenverkehr. Während Männer eher dazu tendieren, ihr eigenes Wissen und Können zu überschätzen, gehen Frauen tendenziell auf Nummer sicher, neigen zu risikoaverseren Papieren und Produkten. Sie handeln weniger impulsiv, sind besonders darauf bedacht, Fehler zu vermeiden. Statt auf Einzelwerte zu spekulieren, streuen sie lieber breit, setzen etwa auf ETFs. Dies führt auch dazu, dass Studien regelmäßig die Überlegenheit von Frauen beim Thema Geldanlage offenlegen. Die Renditen von Frauen sind statistisch gesehen besser als die von Männern. Viele Frauen, die sich an das Thema Anlage herantrauen, agieren dann fast nach Lehrbuch. Ein Trend, der Mut machen sollte.
„Die Renditen von Frauen sind statistisch gesehen besser. Ein Trend, der Mut machen sollte.“
Nach wie vor haben Aktien hierzulande ein Imageproblem, oftmals stellt man eine irrationale Angst vor den Finanzmärkten fest. Viele sehen darin ein Thema, das lediglich für Reiche relevant ist. In puncto Vorsorge ein gefährlicher Trugschluss. In den USA haben Anleger häufig ein anderes Selbstverständnis. „Own a piece of America“ ist dort Aktionärsdevise. Die Deutschen präferieren stattdessen scheinbar sichere Anlageformen. Bankeinlagen wie Tagesgeld oder Immobilien sind beliebt. Am Neuen Markt haben sich viele Neuanleger die Finger verbrannt. Das erklärt auch, warum derzeit besonders junge Sparer zu Aktien tendieren, sie kennen fast nur steigende Kurse.
Wo sollen Frauen im Alltag mit dem Thema Kapitalmärkte in Berührung kommen?
Ich glaube, die Anbieter haben hier in den letzten Jahren viel unternommen, um das Thema stärker ins Bewusstsein zu rücken. Broker und Direktbanken sind über Werbung sehr präsent. Darüber hinaus spielen die sozialen Medien eine wichtige Rolle. Blogs oder Beiträge auf Youtube beleuchten alle Fragen rund um die Anlage. Die relevanten Informationen sind längst nur noch ein paar Klicks entfernt.
Gibt es bei Capco bereits konkrete Konzepte, die Anbietern vorgeschlagen wurden? Wie ist die Resonanz?
Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die spezifische Adressierung von Frauen mehr als nur eine Nische ist. Hier hat vor allem Männern in Entscheidungspositionen lange die Vorstellungskraft hinsichtlich der Potenziale gefehlt, die ein individuelles Angebot liefern kann. Das Gesamtangebot ist dann sehr vielschichtig – so spielen digitale Beratungsmöglichkeiten eine Rolle, aber auch detaillierte Aspekte wie Kundenansprache, Design oder Farbgestaltung der Angebote. In den vergangenen Jahren mussten wir hier häufig viel Überzeugungsarbeit leisten. In der letzten Zeit sehen wir jedoch einen deutlichen Wandel, sowohl getrieben durch den Erfolg von Start-ups wie Neobrokern und Female Fintechs als auch etablierten Anbietern selbst.
Alexander Braun ist Kapitalmarktexperte beim Beratungsunternehmen Capco, eine globale Management- und Technologieberatung für Banken und Finanzdienstleister. Braun berät und unterstützt unter anderem Broker bei der Implementierung neuer Lösungen sowie im Bereich User Experience.
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