ETF – im Dreisprung zu mehr Streuung
Einzelne ETF versprechen mehr Streuung, als sie wirklich halten können. Im Interview erklärt Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung GmbH in Stuttgart, wie dieses Manko ausgeglichen werden kann.
Bei den üblichen Indexfonds auf den breiten Weltaktienmarkt spielen die USA eine wichtige, um nicht zu sagen die dominante Rolle. Wer in einen solchen ETF investiert, dessen Geld fließt zu 60 bis 70 Prozent in nordamerikanische Firmen. Dabei entfällt auf die Informationstechnologie mehr als ein Fünftel. Kann man da von einer Streuung der Anlagen sprechen?
Das ist ein wichtiger Punkt. Zwar repräsentiert der MSCI World 1.500 Aktien aus den Industrieländern, doch allein die ersten zehn Unternehmen, die allesamt in den USA beheimatet sind, haben daran einen Anteil von 18 Prozent. Das ist vermutlich mindestens so viel wie oder mehr als die Firmen auf Position 1.000 bis 1.500 zusammen ergeben. Aus Sicht unserer Vermögensverwaltung haben wir es bei Weltaktien-ETF mit Klumpenrisiken zu tun, die nur wenige Anleger kennen.
Wie entsteht dieses Ungleichgewicht?
Durch das Prinzip der Marktkapitalisierung. Der Börsenwert von Unternehmen ergibt sich demnach in der Regel aus der Zahl der frei handelbaren Aktien multipliziert mit dem aktuellen Aktienkurs. Apple ist mit einem Börsenwert von 2,5 Billionen Dollar das derzeit teuerste Unternehmen, Microsoft bringt es auf 1,9 Billionen Dollar.
Muss dieses Prinzip der Marktkapitalisierung für Anleger von Schaden sein?
Nein, es muss nicht, aber es kann. Wenn die Trends bei den Unternehmen, Branchen und Regionen, die den Index nach oben gezogen haben, eine Kehrtwende einleiten, ziehen die Schwergewichte den Index deutlich nach unten. Bei einer gleichmäßigeren Verteilung der Anlagen würde eine Umkehr dieses Momentums weniger Schaden anrichten.
Gegengewicht zum großen US-Anteil
Welche Möglichkeiten haben Anleger, um das US-Übergewicht dieser ETF zu korrigieren?
Im Wesentlichen geht es darum, die Regionen, Branchen oder Aktiensegmente stärker zu gewichten, die im MSCI World oder im MSCI All Country World Index ins Hintertreffen geraten sind. Dazu kann man für einen Teil des Portfolios ETF erwerben, die etwa auf Regionen wie Europa oder die Emerging Markets, auf weltweite Branchen wie Versorger oder Basiskonsumgüter oder auf globale Aktiensegmente wie mittel- und gering kapitalisierte Aktien setzen. Die drei Strategien kann man einzeln oder kombiniert nutzen.
Was ist die sinnvollste Variante?
Das ist Geschmackssache. Wichtig ist nur, dass das Ungleichgewicht zugunsten der USA substanziell korrigiert wird. Es reicht also nicht, nur zehn Prozent in solche ETF und weiterhin 90 Prozent in den Weltindex zu stecken.
Kerninvestment und Satelliten austariert
Wie könnte eine sinnvolle Verteilung aussehen?
Aus meiner Sicht sollten zu diesem Zweck wenigstens 50 und höchstens 75 Prozent in die Weltindizes fließen, die somit als Kerninvestment (Core) fungieren. 25 bis 50 Prozent wandern dann in die Ergänzungs-ETF (Satellites). Je höher deren Anteil ist, desto eher ist eine Kombination der Faktoren Regionen/Größe oder Branchen/Größe bei den Satelliten sinnvoll. Bei 25 Prozent spielt man vielleicht nur die regionale Karte. Bei 50 Prozent kombiniert man das auch mit ETF auf Mid- und Small Caps.
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