Welches Rentenniveau ist angemessen?
Im Bericht der Rentenkommission, der ausgesprochen dünn ausfiel, steckt ein Vorschlag, den bislang kaum jemand beachtet hat. Künftig soll das sogenannte Diffusionsniveau Antwort auf die Frage geben, ob die Rente ausreichend bemessen ist.
Diese neue Kennziffer, so die Meinung der Kommissionsmitglieder, liefert einen zusätzlichen und auch besseren Maßstab für die Verteilungsposition der Rentner. Bislang wird sie mit dem Rentenniveau angezeigt. Diese Größe missverstehen allerdings viele als eine Ersatzrate gemessen am früheren Arbeitseinkommen. Das stimmt aber nicht. Das Rentenniveau beschreibt die Relation der verfügbaren Standardrente zum verfügbaren Durchschnittsentgelt. Die Standardrente wiederum ist eine fiktive Größe, die sich aus 45 Beitragsjahren zum jeweiligen Durchschnittslohn ergibt.
Mit dem Diffusionsniveau soll die Standardrente zusätzlich ins Verhältnis gesetzt werden zum durchschnittlichen Bedarf in der Altersgrundsicherung außerhalb von Einrichtungen. Vereinfacht gesagt, es beschreibt den Abstand der Leistungen aus dem Rentensystem zu den Leistungen aus dem Fürsorgesystem. Teilt man die Standardrente durch das Einkommen bei Grundsicherungsbezug, liefert dieser Bruch den „Abstandsindikator“. Sind beide gleich groß, nimmt dieser Indikator den Wert 1 an, da es keinerlei Abstand zwischen den beiden Systemen gibt. Das Diffusionsniveau ergibt sich aus dem Kehrwert dieses Bruches multipliziert mit 100.
Abstand zur Fürsorgeleistung
Dieser Betrachtung liegt die Maßgabe zugrunde, dass Rentenzahlungen, die auf jahrelang entrichteten Beiträgen beruhen, einen ausreichenden Abstand zu den Leistungen aus dem beitragslosen Fürsorgesystem aufweisen müssen. Doch welcher Abstand ist angemessen? An dieser Frage werden sich die Gemüter noch erhitzen. Schließlich geht er aus einem politischen Aushandlungsprozess hervor. Dafür braucht es allerdings einen begründeten Maßstab.
Die Kommission hat in ihrem Bericht schon mal eines ausgeschlossen. Mit dem Vergleich von verfügbarer Standardrente und durchschnittlichem Grundsicherungsbedarf solle keineswegs die Aussage getroffen werden, die verfügbare Standardrente sei ausreichend bemessen, so lange sie sich oberhalb des Grundsicherungsbedarfs bewegt. Vielmehr müsse es Ziel sein, einen angemessenen Abstand aufrechtzuerhalten.
Die Diskussion ist eröffnet
Dr. Johannes Steffen, der das informative Portal Sozialpolitik betreibt, brachte dafür unlängst einen Vorschlag ins Gespräch: Pragmatische Gründe sprechen seiner Meinung nach dafür, dass Erwerbsbiografien mit 45 Beitragsjahren und im Mittel 75 Prozent des Durchschnittsentgelts eine verfügbare Altersrente ergeben sollten, die mindestens das verfügbare Einkommen bei Grundsicherung im Alter beträgt. Zur Begründung für die Festlegung auf diese Zahl führt er zwei Argumente ins Feld: 75 Prozent des Durchschnittsentgeltes nach Anlage 1 des Sozialgesetzbuches IV entsprechen ziemlich genau der Niedriglohnschwelle vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Auch die inzwischen abgeschaffte Rente nach Mindestentgeltpunkten sah eine Anhebung von Zeiten mit niedrigem Arbeitsentgelt auf 75 Prozent des Durchschnittsentgelts aller Versicherten vor.
Damit ist die Diskussion über den angemessenen Abstand der Rente zur Fürsorgeleistung eröffnet. Je nach politischer Farbe werden die Parteien höhere oder niedrigere Grenzen ziehen, sollte es in absehbarer Zeit tatsächlich zur Einführung des Diffusionsniveaus kommen. Damit fände zugleich ein wenig „Ehrenrettung“ für die Rentenkommission statt. Die notwendige Reform des Rentensystems hat sie nämlich ein halbes Jahrzehnt aufgeschoben.
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