Lebenserwartung: Wer früher stirbt, war länger arm
Die Lebenserwartung der Menschen steigt seit 100 Jahren kontinuierlich an. Jedoch gibt es zwischen einzelnen Regionen und gesellschaftlichen Schichten enorme Unterschiede bei der Lebenszeit.
Wie diese zustande kommen, hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in einer aktuellen Studie untersucht.
Der Mensch wird immer älter. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug die mittlere Lebenserwartung 30 Jahre. Mittlerweile ist sie bei einem Durchschnitt von 71 Jahren angekommen. Das ist ein Zugewinn an Lebenszeit von etwa dreieinhalb Jahren pro Jahrzehnt.
Man könnte von einem ungebrochenen Aufwärtstrend reden. In den Industrieländern beruht der stetige Anstieg der Lebenserwartung vor allem auf moderner Medizin und Prävention. Diese begünstigen besonders die Überlebenswahrscheinlichkeit für die hohen Altersgruppen. Speziell in der Altersgruppe der Hundertjährigen ist der größte Zuwachs aufgrund der medizinischen Versorgung zu erkennen.
Kein Baum wächst bis in den Himmel
Jedoch verdeutlicht die Studienautorin Sabine Sütterlin, dass es Anzeichen dafür gibt, dass ein Ende des Anstiegs der Lebenserwartung erreicht sein könnte. Ursächlich hierfür erwähnt sie das biologische Limit. Die Lebensspanne ist begrenzt. So kann die biomedizinische Forschung zwar den Tod hinauszögern, diesen jedoch nicht heilen. Zudem ist seit 1980 kein wesentlicher Anstieg der Lebenszeit über die 100 Jahre hinaus zu erkennen.
Hinzu kommt das finanzielle Limit. Die Gesundheitsversorgung wird durch den demografischen Wandel immer teurer. So lässt sich die Sterblichkeit älterer Menschen nur noch zu immer höheren Kosten weiter hinausschieben. Daher wird aus Sütterlins Sicht irgendwann der Punkt erreicht, an dem das deutsche Gesundheitssystem an seine Grenzen stoßen könnte. Vor allem gibt es Entwicklungen, die regional beziehungsweise in bestimmten Schichten der Gesellschaft den Anstieg der Lebenserwartung bremsen. So können neugeborene Jungen im wohlsituierten bayrischen Starnberg mit rund acht Jahren mehr Lebenszeit rechnen als ihre Geschlechtsgenossen in Pirmasens in Rheinland-Pfalz.
„Viele Studien belegen, dass zwei Faktoren entscheidend sind für gesundheitliche Ungleichheit und damit das Risiko, vorzeitig zu sterben: der Sozialstatus und das Bildungsniveau“, verdeutlicht Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Je niedriger der sozioökonomische Status, desto höher die subjektiv erlebte Stressbelastung. Auf Dauer fördert dieser (Dauer-)Lebensstress die Entstehung von körperlichen Erkrankungen, Depressionen und anderen psychischen Störungen. Hinzu kommt, dass Risikofaktoren für die Gesundheit wie Bewegungsmangel, Übergewicht und Rauchen in Gruppen mit niedrigem Sozialstatus überproportional häufig vorkommen. „Gesellschaft und Politik müssen aktiv werden, um diese Ungleichheiten zu verringern“, resümiert Sabine Sütterlin.
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