Europas halbrosige demografische Zukunft
Europa altert. Genauer gesagt, die in Europa lebenden Menschen. Derzeit beheimatet dieser Erdteil die meisten über 65-Jährigen. Sie machen 13 Prozent der europäischen Bevölkerung aus.
In anderen Weltregionen sind es lediglich acht Prozent, in Afrika sogar nur vier Prozent. Aufgrund der anhaltenden niedrigen Geburtenzahlen schrumpfen vielerorts die Einwohnerzahlen. Zudem gehen immer mehr Menschen in Rente, während immer weniger Nachwuchskräfte in den Arbeitsmarkt nachrücken. Unter diesen Bedingungen wird es problematischer, Sozialleistungen im üblichen Maße bereitzustellen. Auch die Finanzkrise, die schnell zu einer Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit anwuchs, tat ihr Übriges dazu. Daher ist Europa gefordert. Es muss als erster Erdteil eine kontinentale Lösung für den demografischen Wandel finden.
Wie es konkret um Europas demografische Zukunft bestimmt ist, hat gerade das Berlin-Institut mithilfe von Indikatoren aus den Bereichen Demografie und Wirtschaft analysiert. Insgesamt wurden 290 europäische Regionen untersucht und mit einem Index in eine Rangfolge gebracht.
Norden und Westen gut aufgestellt, Süden und Osten abgeschlagen
Die Regionen in Mittel- und Nordeuropa sind gut auf die demografischen Herausforderungen vorbereitet. Dazu gehören Stockholm, die Nordwestschweiz sowie Zürich. Ähnlich gut aufgestellt sind Oberbayern, London und die Genferseeregion. Sie alle zeichnen sich durch ihre Wirtschafts- und Innovationskraft aus, die Zuwanderer anzieht. Diese verjüngen die Altersstruktur und sorgen dafür, dass die genannten Regionen trotz ihrer eher unterdurchschnittlichen Kinderzahlen und hohen Lebenserwartung zu den jüngeren des Kontinents zählen. Obendrein sind auch die anderen Gebiete der Schweiz sowie große Teile Süddeutschlands demografisch und wirtschaftlich gut positioniert.
Überall in Europa lassen sich zudem Gefälle innerhalb der Länder erkennen. So schneiden fast flächendeckend die Hauptstädte besser ab als der Rest der Länder. Die Untersuchung verdeutlicht, dass speziell periphere Regionen oft vergeblich gegen die Abwanderung junger Menschen und die sich daraus ergebende Alterung kämpfen. Das gilt besonders für Osteuropa. Hier führen das große Wohlstandsgefälle gegenüber Westeuropa sowie die weit verbreitete Armut gerade in ländlichen Gebieten zu großen Wanderungsverlusten.
Je grüner eine Region auf der Karte dargestellt ist, desto besser schneidet sie ab. Der Index zeigt, dass Europa demografisch gespalten ist. Im Norden, im Westen und im Zentrum des Kontinents sorgen hohe Kinderzahlen und Zuwanderung auf absehbare Zeit für Bevölkerungswachstum und verlangsamen die Alterung. Viele Regionen Süd- und Osteuropas leiden dagegen unter Abwanderung und geringen Kinderzahlen. All dies ist auch Folge der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Berlin und Leipzig sind die Aufsteiger Europas bei der Bevölkerungsentwicklung
Vor allem Skandinavien, Großbritannien sowie Deutschland verfügen über demografische Stabilität. Das ist letztendlich der wirtschaftlichen Stärke dieser Länder zuzuschreiben, die die Zuwanderung begünstigt. Daher sind Länder wie Deutschland Profiteure der Wirtschaftskrise, denn sie bieten Menschen zum Beispiel aus Spanien, Bulgarien oder Italien eine berufliche Perspektive, weshalb sie ihre Heimatländer verlassen.
Deutschland zieht zudem Vorteile aus den niedrigen Zinsen. Es kann sich gut refinanzieren. Die ökonomischen Rahmenbedingungen begünstigen die demografische Entwicklung und machen unser Land für Zuwanderer interessant. Daraus konnten auch deutsche Städte ihren Nutzen ziehen: Unter den 290 betrachteten Regionen in Europa ist Berlin einer der größten Aufsteiger der vergangenen neun Jahre, was die Bevölkerungsentwicklung angeht. Ebenso Leipzig – die sächsische Stadt konnte sich im EU-Vergleich von Platz 224 auf Platz 66 verbessern.
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