Bundesfinanzhof sorgt für Aufruhr
Eine Randbemerkung, die für das eigentliche Urteil gar nicht nötig gewesen wäre, sorgt derzeit für helle Aufregung: Der Bundesfinanzhof (BFH) äußerte Zweifel, ob bei Betriebsrentenverträgen, die bereits in der Zusage ein Kapitalwahlrecht enthalten, die Beiträge steuerfrei sein dürfen.
Das Urteil an sich überraschte die Experten wenig. Darin ging es um die Besteuerung einer Kapitalauszahlung aus einer Pensionskasse. Die Klägerin wollte dafür die steuerschonende Fünftelungs-Regelung, bekam sie aber nicht. Das ist rechtens, entschied der BFH und bestätigte damit lediglich die bereits geltende Rechtslage. Schließlich handele es sich nicht um „außerordentliche Einkünfte“. Diese liegen vor, wenn eine Zusammenballung von Einkünften nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Verlauf dieser Einkünfte entspricht. Eine Kapitalabfindung aus einer Pensionskasse sei kein solches atypisches Ereignis, so der BFH, sondern ein vertragsgemäßer Verlauf. Schließlich ist das Kapitalwahlrecht bereits mit Vertragsbeginn eingeräumt worden.
Allein damit hätte das Urteil nicht als Aufreger getaugt. Doch die Richter fügten ein sogenanntes Obiter Dictum (nebenbei Gesagtes) ein. Das ist eine in einer Entscheidung eines Gerichtes geäußerte Rechtsansicht, die für das Urteil gar nicht benötigt wird, sondern nur geäußert wurde, weil sich die Gelegenheit dazu bot. Aber dieser Satz hat es in sich. Es sei zweifelhaft, ob der § 3 Nr.63 Einkommensteuergesetz (er regelt die Steuerbefreiung für die Einzahlungen) überhaupt gilt, wenn ein Vertrag von Anfang an ein Kapitalwahlrecht enthält. Diesen einen Satz aus der längeren Urteilsbegründung hielt der Bundesfinanzfhof dann zumindest für so wichtig, dass er ihn auch noch in die Pressemitteilung zum Urteil einfügte. Es bestand also offenkundig ein Interesse daran, dass diese Rechtsansicht einer größeren Öffentlichkeit bekannt wird.
Es kam, wie es kommen musste: Eine aufgeregte Diskussion kochte hoch. Viele Pensionskassenzusagen enthalten ein Kapitalwahlrecht. Wird es nun plötzlich steuerschädlich? Laut Paragraf 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz sind Beiträge des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung dann von der Einkommensteuer befreit, wenn die Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans erfolgt. Von Kapitalwahlrecht ist also keine Rede. Das Bundesfinanzministerium hat aber in seinem Rundschreiben vom 24. 07. 2013 klargestellt, dass allein die Möglichkeit, anstelle einer Rente eine Kapitalabfindung gleich zu Beginn der Auszahlungsphase zu wählen, der Steuerfreiheit nicht entgegensteht.
Das BMF-Rundschreiben von 2013 gilt weiter
Dr. Manfred Stöckler, Steuerexperte beim Consultingunternehmen Willis Towers Watson, wundert sich daher auch über die ganze, seiner Meinung nach – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – unnötige Aufregung. Sein Tenor: Ruhig Blut bewahren. „Das Urteil ändert doch nichts an der Haltung der Finanzverwaltung, es bestätigt zunächst einmal die Auffassung der Finanzverwaltung, dass Einmalkapitalzahlungen aus Pensionskassen nicht in den Anwendungsbereich der Fünftelungsregelung fallen. Das Rundschreiben von 2013 gilt weiter. Das heißt: So lange ein Arbeitnehmer in der Rentenzusage verbleibt, gilt für ihn die Steuerfreiheit des Paragrafen 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz. Erst wenn er von der Kapitaloption Gebrauch macht, werden die Beiträge lohnsteuerpflichtig.“ Das Bundesfinanzministerium müsse noch nicht einmal mit einem Nichtanwendungserlass auf das Urteil reagieren. „Die Finanzämter werden sich weiterhin an die Vorgaben des Rundschreibens halten.“ Nur wenn das BMF-Schreiben geändert würde, entstünde eine neue Sachlage. Das wäre seiner Meinung nach aber äußerst verwunderlich, würde es doch die angedachte Stärkung der bAV konterkarieren.
Eingriffe in den Bestand sind unwahrscheinlich
Nicht alle seine Kollegen zeigen sich derart gelassen. Thomas Hagemann von Mercer äußerte sich gegenüber dem Branchendienst Leiter-bAV mehr als besorgt: „Sollte der BFH die Steuerfreiheit der Beiträge im Sinne des 3.63 für diesen Fall kippen, käme es vermutlich nicht nur zum Verlust der Steuerfreiheit für künftige, sondern auch zur nachträglichen Versteuerung der bereits geleisteten Beiträge. Was das für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet, kann man sich vorstellen.“ Eingriffe in den Bestand sind zwar eher unwahrscheinlich. Dennoch ist mit der Bemerkung im Urteil des Bundesfinanzhofes eine Unsicherheit entstanden, die so schnell nicht wieder verschwinden wird.
Lieferte der BFH eine Steilvorlage?
Es rächt sich nun, dass in der betrieblichen Altersversorgung immer wieder entscheidende Details über Rundschreiben geklärt werden mussten, weil sie im Gesetz nicht ausreichend geregelt wurden. Da ist die Haltung zum Kapitalwahlrecht keine Ausnahme. Die Unternehmen und die bAV-Anbieter befinden nach dem BFH-Urteil im Zustand latenter Verunsicherung. So ist nicht ganz auszuschließen, dass die Finanzverwaltung die Steilvorlage des Bundesfinanzhofs aufnimmt und ihre Haltung entsprechend ändert. Politisch ist ohnehin die Rente als Auszahlungsform gewollt. Unter Umständen wird das Urteil zum Anlass genommen, den Spielraum für Kapitalleistungen weiter einzuschränken. Daher sind bereits Stimmen zu vernehmen, die raten, in neuen Versorgungszusagen vom Kapitalwahlrecht Abstand zu nehmen. Nach dem Motto: So sind Sie auf der sicheren Seite.
Der Bundestag berät in den kommenden Monaten über das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Damit bietet sich eine gute Gelegenheit, Klarheit zu schaffen und den Paragrafen 3 Nr. 63 so zu formulieren, damit langfristig Rechtssicherheit besteht. Eine Diskussion, wie sie vom Bundesfinanzhof ausgelöst wurde, konterkariert nämlich das Anliegen, die Betriebsrenten zu stärken.
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