Die Zielrente als Mittelweg
Ab 31. Mai 2016 war es endgültig: Die Entscheidung des Finanzministeriums, den Garantiezins im kommenden Jahr auf 0,9 Prozent zu senken, stand im Bundesgesetzblatt.
Das hat Folgen für alle neuen privaten Rentenversicherungen, aber auch für die betriebliche Altersversorgung, wenn sie per Versicherung abgedeckt wird. Die neuerliche Verringerung des Garantiezinses, er war erst Anfang 2015 von 1,75 auf 1,25 Prozent gesunken, wird die Suche nach alternativen Garantieformen weiter beflügeln. In der Lebensversicherung ist sie bereits im vollen Gange. In der betrieblichen Altersversorgung deutet sich ebenfalls ein vorsichtiger Wandel an. Nachdem Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zu Anfang der Diskussion über das neue Sozialpartnermodell in der Betriebsrente den kompletten Verzicht von Garantien ins Gespräch gebracht, dann aber wieder relativiert hat, steht die Tür weiterhin einen Spalt offen.
Gutachten bringt neuen Vorschlag ins Gespräch
Bislang galt in der betrieblichen Altersversorgung die sogenannte Beitragszusage mit Mindestleistung als Untergrenze. Damit werden dem Arbeitnehmer zumindest die eingezahlten Bruttobeiträge bei Rentenbeginn garantiert. So viel Garantie, da waren sich alle Beteiligten einig, musste bislang in der betrieblichen Altersversorgung sein. Doch mit dem Rechtsgutachten zum Sozialpartnermodell Betriebsrente, das vom Arbeitsministerium vorgeschlagen worden ist, haben die beiden Autoren Prof. Dr. Peter Hanau und Dr. Marco Arteaga einen neuen Vorschlag ins Gespräch gebracht. Er liegt zwischen den beiden bekannten Systemen der betrieblichen Altersversorgung.
Bislang legte der Arbeitgeber entweder die Höhe der künftigen Versorgungsleistung verbindlich fest (defined benefit bzw. DB-Plan) oder er verpflichtete sich lediglich zu einer bestimmten Beitragshöhe (defined contribution bzw. DC-Plan). Alle in Deutschland zulässigen bAV-Lösungen sind mehr oder weniger dem ersten System zuzuordnen. Einen reinen DC-Plan, bei dem für den Arbeitgeber mit der Zahlung der Beiträge alle Verpflichtungen erfüllt sind (pay and forget) gibt es bislang hierzulande nicht. Eine solche reine Beitragszusage war anfangs in den Überlegungen zum Sozialpartnermodell Betriebsrente enthalten, wurde vom Bundesarbeitsministerium dann aber wieder verworfen, nachdem der Vorschlag auf wenig Gegenliebe in der Öffentlichkeit stieß. Das hatten die beiden Gutachter im Kopf, als sie ihre Vorschläge formulierten. Daher plädieren sie für eine Mischform aus beiden Modellen unter der Bezeichnung „Zielrente“ (defined ambition). Diese Form, so die beiden Gutachter, ist im Ausland in der betrieblichen Altersversorgung bereits verbreitet.
Vorübergehende Unterdeckungen werden in Kauf genommen
Bei der Zielrente schreibt der Arbeitgeber, ähnlich wie bei einer reinen Beitragszusage, zunächst die Prämienhöhe fest. Die spätere Leistung wird auf der Grundlage einer nach sorgfältigen kaufmännischen Grundsätzen vorgenommenen Hochrechnung dem Arbeitnehmer lediglich mitgeteilt, aber nicht garantiert. Das klingt für den Arbeitnehmer zunächst vage und deutlich weniger wert als eine garantierte Leistung. Doch die Erfahrungen mit dieser Zusageform sind nach Aussage der Studienautoren andere: So komme es zu einer beständigen Entwicklung der in Aussicht gestellten Leistung und der für sie angelegten Vermögenswerte. Letztere schwanken naturgemäß im Lauf der Zeit.
Die Abweichungen von den Werten, die für die Zahlung der avisierten Zielrente erforderlich sind, führen zu Unter- oder Überdeckungen im Vergleich zu den Verpflichtungen. Diese werden innerhalb bestimmter Spannen (zum Beispiel fünf bis zehn Prozent) und/oder innerhalb definierter Fristen (zum Beispiel bis zu fünf Jahren) in Kauf genommen. Erst wenn diese Toleranzgrenzen überschritten sind – eine Unterdeckung zum Beispiel länger als die festgelegten fünf Jahre anhält – findet eine Absenkung der unverbindlich in Aussicht gestellten Zielrente statt. Verbessert sich die finanzielle Lage des Versorgungsträgers wieder, hebt dieser die avisierte Versorgungsleistung auf die ursprüngliche Höhe an. Meist wird dazu erst eine gewisse Überdeckung abgewartet, um die Beitragszahler gegenüber den Rentenempfängern nicht zu benachteiligen.
Auch garantierte Leistungen haben einen „Notausstieg“
Der Vorteil einer solchen Zusage: Der Versorgungsträger kann dafür renditestärkere, aber schwankungsanfälligere Kapitalanlagen wählen. Bei festen Garantien muss er sicherstellen, dass er diese jederzeit erfüllen kann. Das erfordert überwiegend Kapitalanlagen mit einer festen Verzinsung. In Niedrigzinsphasen wie der gegenwärtigen ist der Versorgungsträger gezwungen, Wertpapiere zu kaufen, die kaum noch Ertrag bringen. Das führt im Extremfall dazu, dass abgegebene Garantien nicht mehr eingehalten werden können. Die Zielrente liefert dem Arbeitnehmer daher keineswegs zwangsläufig weniger Sicherheit als zum Beispiel eine Pensionskasse mit einer garantierten Leistung. Das erleben wir derzeit gerade.
Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen reduzieren die ersten Pensionskassen für künftige Einzahlungen die versprochene Verzinsung. Die rechtlichen Möglichkeiten haben sie dazu. Ist die Unterdeckung besonders schwerwiegend, kann selbst in laufende Rentenzahlungen eingegriffen werden. Auch Lebensversicherungen verfügen über einen solchen „Notausstieg“ der verhindern soll, dass die Versicherung als ganzes Unternehmen gefährdet ist. So kann unter bestimmten gesetzlich fixierten Voraussetzungen entweder die Prämie erhöht oder auf Anweisung der Aufsichtsbehörde die vertraglich zugesicherte Leistungen gekürzt werden, bei unveränderter Prämienhöhe.
Für alle Versorgungseinrichtungen, die auf Jahrzehnte angelegte Versorgungsversprechen eingehen, existieren Auswege, um auf unvorhergesehene, extreme Wirtschaftslagen eingehen zu können. In diesem Lichte besehen unterscheidet sich die Sicherheit, die eine Zielrente, künftigen Versorgungempfängern bietet, bei weitem nicht mehr so stark von versicherungsförmigen Zusagen, bei denen Leistungen garantiert werden.
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