Streitgespräch zur Zukunft der Rente in der DIA-Lounge
Politischer Nachwuchs im Streitgespräch: Heute hohe Beiträge und morgen niedrige Renten? Gehen die Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung zu Lasten der jungen Generation? Zahlen die Jungen am Ende die Zeche?
Mit einem Anteil von rund 36 Prozent der Wahlberechtigten bilden die 60-Jährigen und Älteren bei der anstehenden Bundestagswahl erstmals die größte Gruppe. Bedienen die Politiker deshalb in vorauseilendem Gehorsam vor allem die Erwartungen der Älteren? Das war der Ausgangspunkt des Streitgesprächs, zu dem das Deutsche Institut für Altersvorsorge am 24. April in Berlin eingeladen hatte. Mit Johanna Uekermann, Jahrgang 1987, Bundesvorsitzende der Jusos, und Kai Whittaker, Jahrgang 1985, Mitglied des Deutschen Bundestages, diskutierte dazu auf dem DIA-Podium der politische Nachwuchs von SPD und CDU. Kontrovers in vielen Punkten.
Durch die Reformschritte der letzten Jahre sei ein System geschaffen worden, „das Leistungskürzungen insbesondere für die Rentner von morgen zur Folge hat“, kritisierte Uekermann. Das Absinken des Rentenniveaus treffe genau die jungen Leute. Um die Rente zukunftsfest zu machen, sei es nötig, Geld in die Hand zu nehmen.
Zweifel an der Riester-Rente
Die derzeit dreigeteilte Finanzierung der gesetzlichen Rente durch Arbeitnehmer, Arbeitgeber und aus Staatsfinanzen sei doch schon solidarisch. Was könne man denn noch anders machen?, bohrte DIA-Sprecher Klaus Morgenstern nach. Das umlagefinanzierte Rentensystem abzuschaffen, das sei nicht ihre Forderung, stellte die SPD-Politikerin klar. Vielmehr gehe es darum, sehr genau hinzuschauen: Wer profitiert denn von welchen Rentenbausteinen? Die Riester-Rente habe die Erwartungen nicht erfüllt. „Diejenigen, die eine zusätzliche Absicherung bräuchten, schließen keine Riester-Verträge ab. Weil sie es mit ihrem Gehalt nicht schaffen, noch etwas dafür auf die Seite zu packen.“
Höheren Staatszuschuss gefordert
Auch die betriebliche Altersversorgung trifft nach Uekermanns Einschätzung nicht die Richtigen. Sie komme eher den ohnehin gut abgesicherten Arbeitnehmern in größeren Betrieben mit Tarifverträgen zugute. „Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen profitieren nicht davon.“ Auch da müsse man nachsteuern. Eben deshalb sei es nötig, die gesetzliche Rente zu stärken. Die Juso-Vorsitzende plädierte für ein Rentenniveau von mindestens 50 Prozent sowie eine paritätische Finanzierung auch der vier Prozent von Lohn oder Gehalt der Arbeitnehmer, die derzeit in die private Vorsorge fließen. Solidarisch bedeute auch, dass es „einen höheren Steuerzuschuss geben muss, insbesondere für versicherungsfremde Leistungen, die wir aus der Rentenkasse finanzieren – wie die Mütterrente“.
Plädoyer für Erwerbstätigenversicherung
Solidarisch und gerecht wäre nach ihren Worten schließlich der Umbau zu einer Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbständige und Beamte einzahlen. „Mit einer Verbreiterung der Einnahmebasis lassen sich Beiträge länger stabil halten“, berief sie sich auf entsprechende Studien dazu. Das sei allerdings ein Projekt über Generationen. Letztlich gehe es aber „nicht nur um die Finanzierung, sondern auch um eine eklatante Gerechtigkeitslücke, die besteht“.
Zugleich sprach sich die Juso-Vorsitzende vehement gegen eine pauschale Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters aus. Dies zum jetzigen Zeitpunkt zu fordern sei „ziemlich zynisch. Es würde für einen Großteil massive Rentenkürzungen bedeuten“. Viele könnten aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht länger arbeiten. Unternehmen stellten zudem nicht genügend Arbeitsplätze für Ältere zur Verfügung. Die Arbeitsplätze seien außerdem oft nicht altersgerecht.
„Rente mit 72 – das ist keine utopische Debatte“
„Wir müssen der SPD schon noch beibringen, dass Arbeit auch nach 65 Spaß machen kann“, konterte nicht nur in diesem Punkt der CDU-Politiker Kai Whittaker. Eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters sei nicht mit einer Rentenkürzung gleichzusetzen. „Wir haben heute eine durchschnittliche Rentenbezugsdauer von ungefähr 18 Jahren. Das ist doppelt so hoch, wie wir es noch vor einer Generation hatten.“ Dies als Rentenkürzung darzustellen, sei schlicht und ergreifend falsch. Die Frage sei doch: Wie teilen wir ein zusätzliches Lebensjahr auf in Arbeit und Rente? „Dass dieses zusätzliche Lebensjahr immer zu hundert Prozent in die Rente geht, halte ich gelinde gesagt für falsch und lebensfremd.“
Renteneintritt an die Lebenserwartung koppeln
Es gebe noch längst keine 100prozentige Beschäftigung bei Arbeitnehmern zwischen 55 und 65 Jahren. Das wollte Whittaker gar nicht bestreiten. Aber die Entwicklung dort sei die beste von allen Altersgruppen. Über die Hälfte dieser Altersgruppe sei jetzt schon beschäftigt. „Wir werden diesen Anteil weiter steigern.“ Weil Arbeitskräfte fehlen, werden Betriebe nach seinen Worten zunehmend gezwungen sein, sich zu überlegen, wie sie die älteren Mitarbeiter bis zum Renteneintrittsalter halten können.
Der Politiker sprach sich dafür aus, die Rente an die Lebenserwartung zu koppeln. Sollte man sich darauf nicht einigen können, müsse zumindest die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters nach 2030 so weitergeführt werden wie bisher. Es handele sich keineswegs um eine utopische Debatte. „Im Nachbarland Dänemark gibt es jetzt schon die Rente mit 70, diskutiert wird gerade die Rente mit 72.“ Denkbar ist für ihn beispielsweise auch Folgendes: „Nicht ein gesetzliches Renteneintrittsalter für alle, sondern abhängig vielleicht auch davon, wann man angefangen hat zu arbeiten.“
Rente mit 63 war ein Fehler
Bereue er die abschlagfreie Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren als ordnungspolitische Fehlleistung? Immerhin koste die in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Rente für besonders langjährig Versicherte die Steuer- und Beitragszahler auf lange Sicht etwa 160 Milliarden Euro zusätzlich. Diese Frage von DIA-Sprecher Dieter Weirich galt Whittaker als Mitglied der Regierungsfraktion. Seine diplomatische Antwort: Es sei „zumindest ein Gesetzesprojekt, was uns als Union nicht eingefallen wäre“.
Als Realpolitiker müsse man jedoch von den Gegebenheiten ausgehen. „Wir wollten die Mütterrente. Der politische Preis, den uns die SPD abgerungen hat, war die Rente mit 63. Ich halte sie für einen Fehler“, räumte der CDU-Politiker dann aber doch ein. Sie begünstige „die Höchstverdienstrentner eines relativ kleinen Personenkreises – meist Männer“, die als Lehrling angefangen haben und jetzt als Facharbeiter aufhören und sich freuen, dass sie zwei Jahre früher in Rente gehen können. „Hier haben wir weder etwas für die Armen getan, noch irgendwas für die Gerechtigkeit.“