Wir müssen über die Garantien nachdenken
Für die Reform der Rentensysteme liegt mittlerweile eine Vielzahl an Vorschlägen auf dem Tisch. Die meisten setzen bei den Leistungen an, weniger bei der Finanzierung.
Das hat sich mit einem Arbeitspapier geändert, das unter Federführung der CDU-Bundestagsabgeordneten Anja Karliczek entstand. Im DIA-Interview erläutert sie, welchen Umfang Garantien in der Altersvorsorge künftig haben sollten.
Zum Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes und zur ohnehin schon laufenden Diskussion über die Reform der gesetzlichen Rente haben Sie noch einen Sechs-Punkte-Plan mit Vorschlägen zur Alterssicherung hinzugefügt. Hatten Sie das Gefühl, dass einige Punkte auf der Reformagenda fehlen?
Wir reden vor allem darüber, wer was bezahlen muss für die Altersvorsorge und wie mehr Geld ins System kommt. Da fehlt mir ein wichtiger Punkt: Wie lässt sich durch eine verbesserte Kapitalanlage mehr aus dem angelegten Geld machen? Dieses Thema packte bislang niemand an.
Was steht einer Diskussion darüber im Wege?
Nehmen wir als Beispiel die betriebliche Altersversorgung: Hier schreibt das Gesetz eine Bruttobeitragsgarantie vor. Bei Änderungen an der Kapitalanlage muss man also auch über diese Garantie nachdenken. Anderenfalls wird die Anlageseite weiterhin Stiefkind bleiben. Daher unterbreiten wir mit unserem Sechs-Punkte-Plan einige Vorschläge für Anpassungen in der Kapitalanlage.
Garantien sollten auf 80 Prozent der Beiträge gesenkt werden
Sie plädieren darin für einen neuen Mittelweg bei garantierten Altersvorsorgeprodukten. Wie weit führt er von der 100-prozentigen Beitragsgarantie weg, die derzeit das Betriebsrentengesetz vorgibt?
Wir haben verschiedene Garantiehöhen und die daraus resultierenden Freiheiten für die Kapitalanlage rechnen lassen. Eine Absenkung der Beitragsgarantie von 100 auf 80 Prozent erhöht die Renditechancen in stärkerem Maße als dies bei einer Absenkung von 80 auf 50 Prozent der Fall ist. Daher wäre eine 80-prozentige Garantie ausreichend, um schon einen deutlichen Renditeeffekt zu erreichen. Außerdem entstünde bei den Arbeitnehmern nicht das Gefühl, dass sie nun ganz und gar mit den Schwankungen des Kapitalmarktes allein gelassen werden.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz, das derzeit diskutiert wird, sieht eine reine Beitragszusage ohne Garantie vor. Steckt in Ihrem weniger rigorosen Vorschlag einer 80-Prozent-Garantie ein gewisses Unbehagen oder gar eine Abneigung gegenüber der reinen Beitragszusage?
Ich hoffe schon, dass die Tarifpartner in ausgewählten Versorgungswerken diese neue Zusageform hinbekommen und dafür auch Akzeptanz unter den Beschäftigten finden. Aber gerade bei Arbeitnehmern mit geringem Einkommen halte ich ein gewisses Maß an Sicherheit weiter für sinnvoll. Daher auch unser Vorschlag, die Garantie nur auf 80 Prozent abzusenken und nicht komplett abzuschaffen. Wir plädieren damit für ein zweistufiges Verfahren: Wenn es eine Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern gibt, kann die Beitragsgarantie vollständig entfallen. Ansonsten gilt als untere Grenze die 80-Prozent-Garantie. Dazu müsste lediglich die Beitragszusage mit Mindestleistung angepasst werden, indem die Mindestleistung anders definiert wird. Das wäre ein einfacher Schritt.
Die Einführung der reinen Beitragszusage bringt dagegen keine Vereinfachung in der betrieblichen Altersversorgung, sondern einen weiteren Durchführungsweg. Außerdem handelt es sich um eine Radikalumstellung. Radikale Lösungen sind in unsicheren Zeiten immer schwierig. Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass eine Absenkung auf null notwendig ist, um die erforderliche größere Freiheit in der Kapitalanlage zu schaffen und höhere Betriebsrenten zu ermöglichen.
Das Sozialpartnermodell funktioniert nur ohne Garantie
Plädieren Sie also dafür, auch bei der reinen Beitragszusage nach dem Sozialpartnermodell, so wie es verschiedentlich gefordert wird, doch ein wenig Garantie gesetzlich zuzulassen?
Nein, denn dann geraten die Pensionskassen der Unternehmen in den Anwendungsbereich von Solvency II. Das Sozialpartnermodell, das von den Tarifparteien organisiert wird, funktioniert nur ohne Garantie. Die Arbeitgeberhaftung, die bei diesem Modell entfällt, war doch das entscheidende Argument, die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung nicht dem Solvency-II-Regime und den damit verbundenen Kapitalanforderungen zu unterwerfen. Wenn die Pensionskassen nun Teile dieser Haftung übernehmen, gibt es keinen Grund mehr, sie anders zu stellen als Versicherungen unter Solvency II. Das aber überlastet die Pensionskassen. Für den Solidarbeitrag hingegen, der beim Sozialpartnermodell als Risikopuffer zwischen den Tarifpartnern vereinbart werden kann, ist durchaus eine versicherungsförmige Lösung mit Garantie möglich.
Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse darf es nicht geben
Lässt sich die vorgeschlagene Änderung an der Beitragszusage mit Mindestleistung noch im Betriebsrentenstärkungsgesetz unterbringen?
Die geänderte Garantie muss auf jeden Fall in dieses Gesetz. Wie dann die Kapitalanlage zu gestalten ist, wird anschließend in einem nächsten Schritt geregelt. Eines aber wird die CDU auf keinen Fall zulassen: Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse. Für alle muss die gleiche Systematik gelten, sowohl bei der Garantiehöhe als auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sieht nur bei Entgeltumwandlung im Sozialpartnermodell die Pflicht des Arbeitgebers zur Weitergabe eingesparter SV-Beiträge vor.
Eine solche Ungleichbehandlung darf es nicht geben. Daher unsere Forderung: Der Arbeitgeber muss mindestens zehn Prozent ersparter SV-Beiträge bei Entgeltumwandlung in den Betriebsrentenvertrag einzahlen, ganz gleich ob es sich um tarifvertraglich oder betrieblich organisierte bAV handelt.
Sollte diese Gleichheit auch für Opting-out-Modelle gelten, die mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz ebenfalls nur im Rahmen von Tarifverträgen erlaubt werden sollen?
Wir plädieren dafür, betriebliches Opting-out für alle zuzulassen. Jeder Arbeitgeber kann eine Versorgungslösung anbieten, in die zunächst alle Arbeitnehmer einbezogen werden, es sei denn, sie entscheiden sich aktiv dagegen.
Bei den Kosten werden wir noch einmal Hand anlegen müssen
Bislang haben wir nur über die betriebliche Altersversorgung gesprochen. Aber auch für die privat abgeschlossene Riester-Rente schreibt der Gesetzgeber eine Beitragsgarantie von 100 Prozent vor. Wollen Sie auch diese Garantie absenken?
Bei der Riester-Rente besteht doch das gleiche Problem: eine Beitragsgarantie muss bei äußerst niedrigen Zinsen gestellt werden. Daher sollte der Sparer zumindest die Option zu einer geringeren Garantie haben. Beide Varianten, 100-prozentiger Beitragserhalt und abgesenkte Garantie, sollten eine Zeitlang nebeneinander angeboten werden, bis sich die Einsicht durchsetzt, dass geringere Garantien unter dem Strich günstiger sind. Die niedrigen Zinsen werden uns schließlich noch eine Weile begleiten. Außerdem werden wir in der dritten Säule der Altersvorsorge noch einmal bei den Kosten Hand anlegen müssen. Bei Neuverträgen sollte künftig nur noch ratierliche Vertriebsvergütung erfolgen. Die Provision muss über die gesamte Laufzeit verteilt und nicht schon zu großen Teilen gleich am Anfang an den Verkäufer des Vertrages ausgeschüttet werden. Auch das führt wegen des größeren Zinseszinseffekts zu höheren Renten.
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