Riester-Rente extended
Der Kreis der Personen, die einen Anspruch auf die Riester-Förderung besitzen, könnte sich schon bald deutlich ausweiten.
Es existieren nämlich ernsthafte Zweifel, ob die bisherige Auslegung des Paragrafen 10a Einkommensteuergesetz, der den Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Riester-Rente regelt, weiterhin Bestand hat. Ins Rollen brachte den Streit darüber Steuerberater Karl-Heinz Herrmann aus Dingolfing.
Im Kern geht es um die Frage, wie Riester-Sparer zu behandeln sind, die zwar früher pflichtversichert waren, aber mittlerweile nicht mehr der gesetzlichen Rentenversicherung angehören. Haben also auch Mitglieder von berufsständischen Versorgungswerken, Selbständige, Handwerker und weitere Personengruppen, die früher pflichtversichert bei der gesetzlichen Rentenversicherung waren, Anspruch auf die unmittelbare Riesterförderung? Nach dem Verständnis der Finanzverwaltung gehören sie nicht zum Kreis der unmittelbar Förderberechtigten, weshalb sie auch keinen Anspruch auf Sonderausgabenabzug besitzen.
Sonderausgabenabzug beansprucht
Zum Streitfall: Steuerberater Herrmann unterlag in den Jahren 1976 bis 1999 der Pflichtmitgliedschaft in der Rentenversicherung. Nach der Gründung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung wurde er verpflichtend Mitglied im Versorgungswerk seines Berufsstandes. Als die Riester-Rente eingeführt wurde, schloss er einen solchen staatlich geförderten Altersvorsorge-Sparvertrag ab und beanspruchte den Sonderausgabenabzug nach Paragraf 10a Einkommensteuergesetz.
Finanzamt lehnte erwartungsgemäß ab
Das Finanzamt Dingolfing lehnte erwartungsgemäß diesen zusätzlichen Sonderausgabenabzug für die Altersvorsorge ab, weil Herrmann nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht zum Kreis der unmittelbar Förderberechtigten gehört. Karl-Heinz Herrmann klagte dagegen vor dem Finanzgericht München, das dem Finanzamt Recht gab. Begründung: Aus den Gesetzesmaterialien gehe eindeutig hervor, dass nur die durch das Altersvermögensgesetz und das Versorgungsänderungsgesetz von der zukünftigen Absenkung des Rentenniveaus beziehungsweise der Versorgungsbezüge Betroffenen Begünstigte des Sonderausgabenabzuges sein sollten.
Unterschiedliche Auslegung des Begriffs „zukünftig“
Diese Absicht des Gesetzgebers stellt Steuerberater Herrmann gar nicht in Frage. Allerdings zieht er eine andere Schlussfolgerung aus dem Begriff „zukünftig“ in dieser Formulierung. Gerade daraus begründe sich sein Anspruch auf den Sonderausgabenabzug. Er gab sich daher mit der Entscheidung des FG München nicht zufrieden und zog vor den Bundesfinanzhof, wo seit dem vergangenen Jahr das Revisionsverfahren läuft.
Mangelnde Kenntnis der Rentenformel
Das Finanzgericht München war der Auffassung, dass Karl-Heinz Herrmann keine Absenkung seiner Versorgungsleistung hinnehmen muss. Das stimmt allerdings nur in Bezug auf die Leistungen aus dem berufsständischen Versorgungswerk. Seine Ansprüche aus der Rentenanwartschaft der Jahre 1976 bis 1999 sind durchaus von den Wirkungen des Altersvermögensergänzungsgesetzes betroffen. In diesem Punkt gelangte das Finanzgericht, wohl wegen mangelnder Kenntnis der Renten- bzw. Rentenanpassungsformel, zu einer falschen Einschätzung.
Gesetz unterscheidet nicht zwischen aktiv und passiv
In seiner Revisionsbegründung wendet Herrmann ein, dass bei der Beschreibung des Personenkreises, der von Paragraf 10a EStG begünstigt wird, lediglich von „in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten“ die Rede ist. Das Gesetz nimmt also keine Unterscheidung in aktuell und früher Versicherte vor. Nach der Auslegung des Finanzgerichtes München sind aber nur jene Personen gemeint, die im jeweiligen Veranlagungszeitraum der gesetzlichen Rentenversicherung „aktiv“ angehören. Es beruft sich dabei auf Veröffentlichungen in der Finanzliteratur, in denen von „aktiv Versicherten“ die Rede ist. Keiner der zitierten Autoren hatte dabei allerdings eine Begründung geliefert, warum eine solche Unterscheidung in „aktiv“ und „passiv“ stattfindet. Der Gesetzgeber jedenfalls hat eine solche Einteilung weder in der Gesetzesbegründung noch im Gesetzeswortlaut vorgenommen. Stattdessen findet man die Logik vor, dass jene begünstigt werden sollen, die von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen sind.
Änderung wirkt sich auf alle Entgeltpunkte aus
Betroffen sind aber auch all jene, die bereits vor den Eingriffen ins Rentensystem Anwartschaften erwarben. Das bewirken die Renten- und Rentenanpassungsformel. Die Rentenhöhe ergibt sich aus der Multiplikation des aktuellen Rentenwerts mit der Anzahl der persönlichen Entgeltpunkte. Der aktuelle Rentenwert wiederum wird jeweils von Jahr zu Jahr fortgeschrieben, indem der vorjährige Rentenwert mit Lohnfaktor, Beitragssatzfaktor und Nachhaltigkeitsfaktor multipliziert wird. In den Beitragsfaktor ging aber über den Altersvorsorgeanteil die sogenannte Riester-Treppe mit ein, die das Rentenniveau absenkte. Insofern spielt es keine Rolle, wann die Entgeltpunkte erworben wurden, von den Änderungen des Rentenwertes sind alle Rentenanwartschaften betroffen.
Bundesministerium trat dem Verfahren bei
Diese Argumentationskette hat offenkundig auch im Bundesministerium der Finanzen für Eindruck gesorgt. Es ist im November 2013 dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof beigetreten. Das geschieht immer dann, wenn Fälle vor dem obersten Finanzgericht verhandelt werden, die von größerer Tragweite sein könnten. Sprich: Das BMF hält es wohl durchaus für möglich, dass der Kreis der Förderberechtigten in absehbarer Zeit deutlich größer werden könnte. Dafür in Frage kommen verschiedene Personengruppen, die heute von der unmittelbaren Riester-Förderung bislang nicht erfasst sind, zum Beispiel auch viele Handwerker, Selbständige oder Mütter mit Erziehungszeiten, die oftmals in der Vergangenheit zunächst abhängig beschäftigt und somit auch pflichtversichert waren. Auch die freiwillig Versicherten sind durch die Eingriffe des Altersvermögensergänzungsgesetzes betroffen und hätten nach der Logik der Revisionsbegründung Anspruch auf den Sonderausgabenabzug.
Kopplung an die SV-Pflicht war ein Fehler
Die Koppelung der Riester-Förderung an die Sozialversicherungspflicht halten ohnehin nicht wenige Experten für einen Fehler. Sie war zunächst von Walter Riester auch nicht beabsichtigt gewesen, sondern er wollte ursprünglich eine ergänzende Altersvorsorge in größerer Breite. Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens kam dann die Einteilung in unmittelbar und mittelbar Förderberechtigte und nicht Förderberechtigte. Möglicherweise zwingt eine Entscheidung des BFH den Gesetzgeber rund 15 Jahre später, wieder zur Ausgangslage zurückzukehren.
Ist der Gleichheitsgrundsatz verletzt?
Die obersten Finanzrichter müssen im Übrigen auch prüfen, ob der Paragraf 10a des Einkommensteuergesetzes dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes widerspricht. Karl-Heinz Herrmann ist nämlich der Auffassung, dass die Nichtgewährung des zusätzlichen Sonderausgabenabzuges durch das Urteil des Finanzgerichts München zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss führt.
Derzeit gibt es rund 16 Millionen Riester-Verträge, doch seit 2011 stagniert die Anzahl der Verträge, zeitweise ging sie sogar leicht zurück.
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