Ein Bärendienst für Privatanleger
Wer Tipps für seine Altersvorsorge sucht, würde sich sicherlich nicht an die Mitarbeiter des Finanzministeriums wenden.
Warum auch? Eigentlich ist zu diesem Thema dort auch keine Expertise ansässig. Muss auch nicht, schließlich ist das Ministerium mit den Finanzbehörden dazu da, Steuern einzunehmen und diese im Bundeshaushalt zu verteilen. Schwierig wird es, wenn sich namhafte Politiker dann doch zum Thema Geldanlage äußern.
Wenn unser Finanzminister, der bereits mehrfach öffentlich geäußert hat, dass er von Aktien privat nichts hält und deshalb sein Geld auf seinem Sparbuch oder Girokonto „rumliegt“, hat das schon eine gewisse Außenwirkung. Auch wenn die ehemalige SPD-Vorsitzende Nahles pressewirksam mitteilt, dass sie keine Zeit habe, sich um die eigene Geldanlage zu kümmern, entsteht zumindest kein positiver Impuls. Es ist schwer zu beurteilen, ob tatsächlich Desinteresse vorliegt, das mit extrem niedrigem Handlungsdruck gekoppelt ist, oder die handelnden Personen einfach keine Ahnung von der Materie haben. Schlimmstenfalls trifft alles zu.
Aktien für die Altersvorsorge
Selbst der Bundesverband der Verbraucherzentralen beziffert das Verlustrisiko bei Aktienfonds, hier sind dann meist ETF-Anlagen gemeint, ab 30 Jahren bei null. Für das wichtige Thema „private Altersvorsorge“ sind Aktien daher auch für risikoaverse Anleger eine sinnvolle Beimischung. Einfache, flexible, transparente, kostengünstige Sparpläne mit aktiv gemanagten Fonds oder ETF-Lösungen sind bei praktisch allen Banken ab 25 Euro im Monat zu haben. Besonders in den gegenwärtigen Zeiten eine überlegenswerte Alternative.
Gute Idee ins Gegenteil verkehrt
Bereits in den 70er Jahren hat der US-Ökonom James Tobin sich Gedanken darüber gemacht, riskante Finanzgeschäfte einzuschränken. Mit der Finanzkrise 2007 wurde diese Intention wieder populär und mündete schließlich in einem Entwurf der EU-Kommission im Jahr 2011. Damit sollte hauptsächlich der Hochfrequenzhandel, der Derivatehandel und das Day-Trading besteuert werden. Allerdings waren Staaten wie Luxemburg, Niederlande, Schweden und nicht zuletzt Großbritannien dagegen.
Doch die Idee entwickelte sich ins Gegenteil. Im deutschen Entwurf, der dem bereits in Frankreich praktizierten System nahekommt, werden Kleinaktionäre, Fondssparer und sogar Riester-Sparer zur Kasse gebeten, die ursprünglich angesprochenen Segmente hingegen bleiben von der Abgabe verschont. Hinzu kommt, dass man bei bestimmten Börsengeschäften Verluste nicht mehr im vollen Umfang mit Gewinnen verrechnen kann. Seit dem 9. Dezember 2019 liegt ein erster Gesetzentwurf zur Finanztransaktionssteuer vor, der den europäischen Partnern vorgelegt worden ist. Zunächst soll eine Steuer auf Käufe oder Verkäufe von Aktien in zehn EU-Staaten erhoben werden.
Steuer trifft vor allem die Sparer
Betroffen sind Aktien großer Unternehmen (mit einem Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro). In Deutschland gibt es 145 in dieser Größe. In allen zehn Staaten, die sich beteiligen sollen, summiert sich die Anzahl auf rund 500. Der Handel mit diesen Aktien soll künftig mit einer Steuer von 0,2 Prozent des Geschäftswertes pro Transaktion belegt werden. Damit ist der Normalsparer in allen Bereichen davon betroffen. Selbst der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums gibt für den in dieser Form vorliegenden Vorschlag keine Empfehlung ab.
Ursprünglich war die Finanztransaktionssteuer als globale Maßnahme zur internationalen Armutsbekämpfung gedacht. Sie sollte ein Mittel gegen superschnelles Trading sein und dem Handel mit Derivaten Grenzen setzen. Davon ist in den maßgeblich von Olaf Scholz geprägten Vorschlägen aus Deutschland nicht viel übriggeblieben. Nun soll die Steuer zur Finanzierung der Grundrente dienen und ausgerechnet Derivate werden aller Voraussicht nach von ihr ausgenommen sein. Damit wird sie besonders Kleinanleger treffen, die in Aktien und ähnliche Produkte investieren wollen. Große Player werden hingegen auf genau diese Derivate ausweichen.
Langfristige Sparpläne mit Freibetrag schonen
Fazit: Eine Finanztransaktionssteuer in Deutschland ist nicht neu. Bis zum Jahr 1991 galt für Geschäfte mit festverzinslichen Wertpapieren 1,50 Prozent und mit Aktien 2,5 Prozent Börsenumsatzsteuer. Wenn man meint, so etwas heute wieder einführen zu müssen, hätte man wenigstens über Freibeträge für langfristige Sparpläne nachdenken müssen. Statt dessen ist nur eine kleine Erhöhung des Sparerfreibetrages geplant. In Anbetracht der Tatsache, dass es immer notwendiger wird, privat für das Alter vorzusorgen, plädiere ich trotzdem weiterhin für die Aktie als fester Bestandteil einer sinnvollen Altersvorsorge, auch wenn einem das in Deutschland wahrlich nicht leichtgemacht wird.
Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager bei der Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH.
Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
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