Robo Advisor – einer für alles?
Robo-Advisor haben sich in Deutschland mittlerweile etabliert. Dennoch bleibt die Frage: Was leisten sie?
Sie sollen die Dienstleistungen von traditionellen Finanzberatern digitalisieren. Meist handelt es sich dabei um Anlagestrategien, die sich auf regelbasierte Modelle stützen.
Daraus ergibt sich dann die Portfoliostruktur, die überwacht und angepasst wird. Zu den bekannteren unabhängigen Anbietern in Deutschland gehören Scalable Capital aus München, LIQID und growney aus Berlin, Moneyfarm und Visualvest aus Frankfurt sowie Whitebox aus Freiburg. Daneben gibt es aber auch bereits bankseitige Angebote wie ROBIN (Deutsche Bank), Quirion (Quirin Bank) oder cominvest (comdirect-bank). Insgesamt existieren derzeit ca. 20 digitale Vermögensverwalter auf dem deutschen Markt.
Vereinfachung des Beratungsprozesses
Im Gegensatz zu einem ausführlichen Beratungsgespräch wird meist nur ein standardisierter Fragenkatalog beantwortet, der dann zu einem persönlichen Risikoprofil führt, woraus sich letztlich die passende Depotstruktur ableitet. Aber auch damit kann man zumindest einen strukturierten Depotaufbau mit breiter Diversifikation erzielen.
Anleger erhalten in einer sehr kurzen Zeit mit wenigen Eingaben ein komplettes Portfolio, das zum eigenen Chance/Risiko-Potential passt. In der Regel ist der Kosten- und Zeitaufwand hierfür vergleichsweise niedrig. Man kann alles zu Hause am eigenen PC erledigen, muss keine Termine vereinbaren. Steht das Depot, entscheidet man nicht mehr selbst über die Zusammensetzung und Anpassung des Portfolios. Emotionale Entscheidungen wie Bauchgefühl oder der Versuch, über Timing positive Effekte zu erzielen, was in der Regel nicht funktioniert, sind ausgeschlossen. Für viele Privatanleger ist es außerdem belastend, solche Entscheidungen zu treffen. Auch das kann man sich auf diese Weise ersparen. Die automatisierten Systeme nutzen börsengehandelte Wertpapiere und fokussieren sich meist auf ETF-Lösungen.
Wenig Hilfe in Krisenzeiten
Bahnt sich eine Krise an den Finanzmärkten an, erhält man meist keine individuellen Hinweise. Einige Systeme sind allerdings in der Lage, einen grundsätzlichen Strategiewechsel vorzuschlagen. Insbesondere in Krisenzeiten zeigen sich die Schwächen solcher Systeme. Dem Herdentrieb folgend werden sich dann viele Privatanleger wieder verabschieden, wenn es am ungünstigsten ist. Überweist man den Anlagebetrag, wird in der Regel die gesamte Summe sofort in die gewählte Strategie investiert. Ein gestaffelter Depotaufbau über einige Monate wäre allerdings vorzuziehen.
Kosten als Entscheidungsfaktor
Viele Anleger fokussieren sich auf die vermeintlich niedrigen Kosten. So richtig billig ist es aber nicht, wenn man für eine voll automatisierte Lösung zwischen 0,75 und 1,0 Prozent bezahlen muss. Das ist dann genauso teuer wie bei einigen Finanzberatern oder Vermögensverwaltern, die noch Zusatzleistungen anbieten. Es ist allerdings zu erwarten, dass Banken Robo-Advice weiter in ihr Angebot implementieren, um somit den Beratungsaufwand und die Kosten für die Kundenbetreuung zu reduzieren. Aufgrund der sich weiter erhöhenden Rechnerleistung werden zukünftig noch mehr Produkte in die Portfoliostruktur implementiert. Die Kunden erhalten vermehrt automatisierte Informationen, um gegebenenfalls in eine aktivere oder defensivere Struktur zu wechseln.
Banken setzen auf kostengünstige Systeme
Fazit: Es werden zunehmend Lösungen an den Markt kommen, die Depots aktiv bearbeiten und eher den Charakter einer Vermögensverwaltung haben, wie der Münchner Anbieter Scalable Capital. Solche Systeme sind vorzuziehen. Zukünftig sind Kombinationen denkbar, bei denen Berater und Vermögensverwalter für das Wertpapiermanagement mit solchen Anbietern kooperieren, um Kosten und Arbeitsaufwand zu senken. Außerdem gehe ich davon aus, dass Banken insbesondere auf Filialebene bzw. im Retail-Segment verstärkt auf diese kostengünstigen, vereinfachten Systeme setzen. Der Kunde wählt aus drei bis fünf fertigen Portfolios aus. Hierfür ist nur eine stark vereinfachte Beratungsstruktur notwendig.
Größere Häuser arbeiten bereits mit Fondsgesellschaften zusammen, die solche Ansätze anbieten. Auch traditionelle Vermögensverwalter haben vereinfachte Depots auf Online-Plattformen im Angebot. Die schon vorhandenen Systeme werden einfach in die Angebotspalette der Banken eingefügt oder gleich ganze Firmen übernommen und deren Lösungen integriert.
Automatisierte Anlage liefert keine Komplettlösung
Nach meiner Auffassung ist das sicherlich besser, als Vermögen auf Festgeld-, Spar- und Girokonten liegen zu lassen. Ziele und Wünsche sowie Risikoprofile von Anlegern können sich allerdings ändern. Ein guter Berater, der die Daten aufnimmt, hält regelmäßigen Kontakt und geht auch aktiv auf Kunden ein. Außerdem werden auch Themen wie Versicherungen, staatliche und betriebliche Altersvorsorge, Immobilien und Finanzierungen mit in die Beratung integriert. Daher bin ich der Auffassung, dass es bei wesentlichen Anlageentscheidungen hilfreich bleibt, regelmäßig eine Zweitmeinung einzuholen, und dass automatisierte Anlageentscheidungen keine Komplettlösung darstellen sollten.
Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager bei Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.
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