Murmeltiere und Mythen bei der Geldanlage
In Nordamerika wurde am 2. Februar der Groundhog Day (Murmeltiertag) gefeiert. Um eine Vorhersage über das Fortdauern des Winters zu treffen, werden Murmeltiere zum ersten Mal im Jahr aus ihrem Bau gelockt.
Wenn das Tier „seinen Schatten sieht“, das heißt, wenn die Sonne scheint, soll der Winter noch weitere sechs Wochen dauern. Eine Studie mit Wetterdaten aus 13 kanadischen Städten hat in den letzten 40 Jahren die Trefferquote der Murmeltiere analysiert und ergab eine Wahrscheinlichkeit von 37 Prozent, dass die Vorhersage am Groundhog Day zutrifft. Eine wenig überzeugende Trefferquote. Die per Zufall erreichbare Trefferquote liegt bei 33 Prozent.
Umso überraschender dabei ist, dass die Vorhersage der Murmeltiere auch die Börse bewegt. Wenn am Groundhog Day ein früher Frühling prognostiziert wird, steigen die Börsenkurse. Im Schnitt steigt der US-Markt dann um 2,78 Prozent. Ökonomen haben die US-Aktienkurse in den letzten 100 Jahren mit den jährlichen Prognosen am Murmeltiertag verglichen und konnten den Zusammenhang feststellen. Dabei gilt die Börse eigentlich als sehr rational und effizient. Die Markteffizienzhypothese oder Effizienzmarkthypothese ist eine führende mathematisch-statistische Theorie der Finanzökonomik. Sie besagt, dass Marktpreise alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. Eine direkte Konsequenz ist, dass kein Marktteilnehmer dem Markt langfristig überlegen sein kann. Sie stellt eine theoretische Grundlage der modernen Portfoliotheorie dar und bildet das Fundament des passiven Investierens mit ETF. Der bekannteste Vertreter dieser Theorie, der Ökonom Eugene Fama, wurde 2013 dafür zusammen mit zwei Kollegen mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.
Börsen können auch irrational sein
Aber auch Börsen haben ihre irrationalen Momente. Obwohl der Computerhandel dominiert, werden Entscheidungen letztlich häufig noch von Menschen getroffen. Dabei scheinen viele abergläubisch zu sein, wenn auch nur auf einer unterbewussten Ebene. Andere sind nicht abergläubisch, lassen sich aber durch den Stimmungsumschwung in der Öffentlichkeit beeinflussen und wieder andere richten ihre Anlagestrategien an dem erwarteten Verhalten abergläubischer Anleger aus. Neben dem Murmeltiertag gibt es noch eine ganze Menge anderer Mythen, die Einfluss auf das Kursgeschehen haben. Der „Sell in May and go away“-Effekt dokumentiert die Tatsache, dass der Markt in der Regel von Mai bis Oktober am schlechtesten läuft. Dann gibt es noch den Januareffekt, weil die Aktien zu Beginn des Jahres oft steigen.
Börsenregeln verschiedenster Couleur
Einer bekannten Börsenregel zufolge sind die ersten fünf Handelstage des Jahres auch für die weitere Richtung des Gesamtmarkts im restlichen Jahr aussagekräftig. Demnach sollten sich Anleger jetzt zeitnah mit Aktien eindecken. Der Börsenstart in das Jahr 2023 war sehr vielversprechend. Dabei kann es aber auch nicht schaden, wenn Aktienanleger sich in der Astronomie auskennen. Andere Studien haben ergeben, dass Aktien bei Vollmond und bei rückläufigem Merkur schlecht abschneiden.
In einer globalisierten Welt sollte man als ambitionierter Anleger aber auch über den eigenen Tellerrand schauen. In China beispielsweise steigen die Renditen während des chinesischen Neujahrsfestes. Dabei entwickeln sich Aktien, deren Tickersymbole die Glückszahl Acht enthalten, tendenziell besser als der Durchschnitt. Schlechter hingegen schneiden die Aktien ab, deren Symbole die Unglückszahl Vier enthalten. Ob die Glückszahl Acht auch für andere Aktienmärkte außerhalb Chinas gilt, ist nicht untersucht worden.
Auch Nischenmärkte haben ihre Regeln
Aber auch Aktienmärkte, die nicht im Fokus der Anleger stehen, bieten ihre Chancen. Die Renditen am israelischen Markt sind an Rosh Hashana, einem fröhlichen jüdischen Feiertag, höher und an Jom Kippur, einem düsteren Feiertag, niedriger. Eine Investition in den Aktienmarkt islamischer Länder sollte dagegen vor dem Fastenmonat Ramadan erfolgen. Während der Fastenzeit weisen die Aktienmärkte dort ungewöhnlich positive Renditen auf.
Fachwissen schadet aber auch nicht
Wem das alles zu kompliziert ist, der muss sich wohl oder übel mit dem Geschäftsmodell, den Bilanz- und Aktienkennzahlen auseinandersetzen. Studien haben gezeigt, dass Anleger damit nachhaltig positive Erträge an den Börsen erzielen können. Das ist natürlich zeitintensiv, verlangt Disziplin, Marktkenntnis und ein gutes Gefühl für Zahlen. Vermögensverwalter verfügen in der Regel über eine entsprechende Ausbildung und die Zeit, all diese Kennzahlen bei der Auswahl und Strukturierung der Portfolios zu berücksichtigen.
Unser Büro hat einen großen Garten. Dort gibt es zwar keine Murmeltiere, aber manchmal treibt ein Maulwurf sein Unwesen. Unsere internen Studien haben bewiesen, wenn der Maulwurf sich an Vollmond zeigt, steigen die Aktienmärkte. Seitdem hat unser Portfoliomanager einen Fensterplatz – mit Blick auf den Garten.
Gastautor Markus Richert ist CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
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