Halten Neo-Broker ihre großen Versprechungen?
Investieren mit wenigen Klicks. Börsenhandel gratis. Clever traden, nichts bezahlen. So oder ähnlich werben die Online-Portale oder Trading Apps der neuen Neo-Broker für ihre Wertpapierhandelsplattformen.
Neo-Broker seien die moderne Art des Investierens in Wertpapiere – ohne lästigen Bankberater und ganz selbstständig mit dem eigenen Computer oder Smartphone. Der Handel ist (beinahe) rund um die Uhr möglich – also auch außerhalb der regulären Handelszeiten. Verlockend sind vor allem die niedrigen Gebühren, die Neo-Broker dafür berechnen. Manche werben sogar mit kostenlosen Angeboten.
Anleger sollten sich aber von den Werbeversprechen der Neo-Broker nicht blenden lassen. In Wirklichkeit sind auch diese Brokerage-Angebote nicht kostenlos. Der Neo-Broker selbst mag zwar von seinen Kunden keine Gebühren verlangen, es entstehen aber auf jeden Fall Kosten, nur an anderer Stelle. Kunden werden nämlich mit Transaktionskosten belastet – und zwar durch die Market-Maker, an die Neo-Broker die Aufträge weiterleiten. Wer über Neo-Broker handelt, sollte das bedenken, vor allem wenn er gerne außerhalb der regulären Börsenzeiten handelt. Dann können die Transaktionskosten besonders hoch sein.
So funktioniert der Handel über Neo-Broker
Neo-Broker leiten Aufträge in der Regel direkt an einen Market-Maker, manchmal auch Skontroführer genannt, weiter, der die erforderliche Marktliquidität liefert und An- und Verkaufskurse, sogenannte Geld- und Brief-Kurse, stellt. Aus der Spanne zwischen Geld- und Brief-Kurs, dem Spread, erwirtschaftet der Market-Maker eine Marge, also die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Einen Teil dieser Marge reichen Market-Maker in der Regel als Rückvergütung an die Neo-Broker weiter, damit sie weiterhin möglichst viele Kundenaufträge von dort erhalten. Im Fachjargon heißt das „Payment for Orderflow“.
Beschränktes Angebot an Dienstleistungen
Weil sich das Niedrigpreis-Modell für Neo-Broker rechnen muss, haben sie meist ein eingeschränktes Dienstleistungsangebot. Zum einen ist die Auswahl der Handelsplätze, die zur Verfügung stehen, stark begrenzt. Dadurch lassen sich Kurse nur eingeschränkt vergleichen. Zum anderen bieten Neo-Broker nicht immer alle Ordertypen für jeden Handelsplatz an. Mitunter sind klassische Limit- und Stop-Loss-Order nicht möglich. Zuweilen werden für einzelne Handelsplätze auch nur Quote-Request-Orders ermöglicht. Kunden müssen dann eine Quotierungsanfrage an den Market-Maker richten.
Man kann nur raten, Entscheidungen zur Wertpapieranlage immer bewusst zu treffen und sich auch nicht von Kaufentscheidungen anderer Marktteilnehmer oder der Gestaltung der Trading-App zum Handeln verleiten zu lassen. Anleger sollten Wertpapieraufträge zudem möglichst limitieren.
BaFin achtet auf Einhaltung der Spielregeln
Die Bankenaufsicht BaFin überwacht, ob sich Neo-Broker an die Regeln halten, die für alle Broker gelten. Aufsichtsrechtliche Erleichterungen oder Ausnahmen von verbraucherschützenden Normen gibt es auch für sie nicht. In diesem Punkt kommt es zu den meisten Kollisionen mit dem offensiven Auftreten der Neo-Broker.
So sind sie verpflichtet, die erhaltenen Rückvergütungen gegenüber ihren Kunden offenzulegen. Da Kunden spätestens beim Market-Maker zur Kasse gebeten werden, hat die BaFin ein Auge darauf, ob die Neo-Broker dennoch mit kostenlosen Angeboten werben. Was immer noch vorkommt. Schwierig wird es, wenn die Neo-Broker im Ausland sitzen, denn dann hat die BaFin keinen Zugriff.
Anleger sind mit klassischen Direktbanken gut bedient
Zudem müssen die Rückvergütungen laut Gesetz vollständig dafür verwendet werden, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern. Rückvergütungen dürfen grundsätzlich nicht zur allgemeinen Finanzierung des Geschäftsmodells dienen. Wertpapieraufträge sind so auszuführen, dass für den Kunden das bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Die Frage, an welchen Handelsplatz bzw. Market-Maker Aufträge weitergeleitet werden, soll dementsprechend also nicht von der Höhe der Rückvergütung beeinflusst sein, die ein Market-Maker zahlt. Ebenso sollen mehrere Handelsplätze zur Auswahl stehen, damit der Kunde die in seinem Sinne beste Wahl treffen kann.
Unsere Einschätzung: Mit klassischen Direktbanken ist jeder Wertpapieranleger gut bedient. Eigentlich braucht es die Neo-Broker gar nicht. Viele dieser noch jungen Plattformen sind mit einer typischen Start-up-Denke angetreten: Geld einsammeln, schnell wachsen und disruptiv sein, indem man seine eigenen Regeln aufstellt. Doch das Bankengeschäft ist stark reguliert und nicht vergleichbar mit einem Essenslieferdienst oder einem Online-Kaufhaus. Im Zweifel bestimmt die Bankenaufsicht, wie mit dem Geld anderer Leute umzugehen ist. Diese schmerzhafte Erfahrung machen gerade einige Neo-Broker, die die BaFin auf die Watchlist genommen hat. Offensichtlich scheint es manchen Kandidaten hinter einem stylischen Onlineauftritt an Ernsthaftigkeit zu fehlen.
Gastautor Dr. Marc-Oliver Lux arbeitet beim Vermögensverwalter Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
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