ETF-Portfolio für ein Leben lang
Für viele Menschen kommt der Termin für eine Anlageberatung auf der Beliebtheitsskala einem Zahnarztbesuch gleich.
Deshalb haben Anleger häufig das Bestreben, dass nach einer Beratung alles erledigt sein sollte. Der Anlagebetrag soll möglichst sofort auf ein paar Anlagen verteilt werden, um die man sich nur noch wenig kümmern muss.
Neben der Absicherung der Altersvorsorge soll auch noch die Balance zwischen Rendite, Sicherheit und Liquidität gewährleistet sein. Das Ganze natürlich auch noch möglichst kostengünstig.
Eine preiswerte Variante für eine solche Anlagestruktur können Exchange Traded Funds (ETF) sein. Bei ihnen wird der Fonds nicht von einem Portfoliomanager und dessen Anlagephilosophie gesteuert, sondern in der Regel nur ein Index abgebildet. Die Anpassung innerhalb des Portfolios findet nach vorher definierten Parametern statt. Da keine Kosten für Research, regelmäßige Depotbeobachtung sowie entsprechende Anpassungen entstehen und Veränderungen automatisiert erfolgen, sind die jährlichen Gesamtkosten deutlich geringer als bei aktiv gemanagten Fonds. In Deutschland kann man derzeit unter etwa 1.200 Produkten auswählen. Nimmt man Standardindizes, sind größere Anbieter meist kostengünstiger als kleinere Emittenten.
Entwurf für ein Porfolio
Als aktiver Vermögensverwalter ziehe ich grundsätzlich aktiv gemanagte Fonds vor, insbesondere wenn später so gut wie keine Veränderungen mehr vorgenommen werden sollen. Sofern aber ausschließlich ETF-Strukturen gewählt werden dürfen, kann ein Portfolio für einen Anleger, der seinen Lebensmittelpunkt in Europa hat, langfristig orientiert ist und nur eine geringe Produktanzahl einsetzen will, vereinfacht so aufgebaut werden:
- 25 % EuroStoxx 600, dieser Index wird von fast allen bekannten Emittenten angeboten und ist breiter gefasst als der EuroStoxx50.
- 20 % MSCI World All Countries, da hier eine breitere Streuung und eine geringere Gewichtung von US-Titeln vorhanden sind als bei dem bekannten MSCI-World-Index. Auch hier wird man bei den meisten Anbietern fündig.
- 25 % Nachhaltigkeits-ETF , weil die enthaltenen Aktienwerte ein etwas günstigeres Chance/Risikoprofil aufweisen können. Bei den ausgewählten Titeln sind zudem weniger Ausfälle durch Gerichtsverfahren, Umweltschäden oder Reputationsrisiken zu befürchten. Angebote gibt es beispielsweise von BNP, iShares, HSBC, Lyxor, Vanguard und MSCI.
- 20 % Small Cap Europa, da man als europäischer Anleger so insgesamt geringere Währungsrisiken hat und außerdem sollten hier nicht so starke Überschneidungen mit den anderen gewählten ETFs vorhanden sein. Neben den bekannten Anbietern lohnt hier ein Blick auf die Produktpalette des amerikanischen ETF-Emittenten WisdomTree.
- 10 % Anleihen-ETF mit kurzer bis mittlerer Duration, obwohl hier kaum positive Renditebeiträge zu erwarten sind, als reine Liquiditätsreserve, damit im Notfall keine Aktien verkauft werden müssen. Entsprechende Produkte werden beispielsweise von SPDR Barclays, iShares oder Invesco angeboten.
Gestaffelter Einstieg ist sinnvoller
Auch wenn der Wunsch besteht, alles auf einmal zu erledigen, ist es ratsam, den Depotaufbau über mindestens zwölf Monate durchzuführen und entsprechende ETF-Sparpläne zu verwenden, bei denen man jedes Produkt monatlich aufbaut. Hierbei empfiehlt es sich, die Sparpläne zu unterschiedlichen Terminen ausführen zu lassen. Allerdings sind dem meist Grenzen gesetzt. Man kann bei den meisten Banken nicht mehr als 500 Euro im Monat sparen. So lassen sich also „nur“ 6.000 Euro pro Jahr aufbauen. Abhilfe können hier mehrere Sparpläne für das gleiche Produkt zu verschiedenen Terminen schaffen oder disziplinierte, selbsterfasste Orders zu verschiedenen Zeitpunkten.
Synthetische oder physisch replizierende ETFs?
Indexfonds, die voll replizierend sind, stecken das Geld der Anleger exakt in die Aktien, die auch im Index vertreten sind, und bilden so die Indexentwicklung ab. Die Produkte sind transparent und leicht nachvollziehbar. Da der Emittent die entsprechenden Anpassungen durchführen muss, wenn sich die Zusammensetzung eines Index oder die Gewichtung einzelner Werte ändert, entstehen meist etwas höhere Kosten.
Bei swap-basierten ETFs kauft der Anbieter oft ganz andere Aktien, als im namensgebenden Index vorhanden sind. Die Aktien dienen hier nur als Gegenwert bzw. als Sicherheit. Die eigentliche Index-Entwicklung wird über „Tauschgeschäfte“ vollzogen. Hier besteht das Risiko, dass der Tauschpartner beim Swap-Geschäft insolvent werden kann, wodurch Teile des Fondsvermögens verloren gehen könnten. Dieses Risiko ist allerdings durch rechtliche Vorgaben auf zehn Prozent begrenzt. Außerdem versuchen die Fondsgesellschaften dieses Risiko durch hinterlegte Sicherheiten zusätzlich zu begrenzen. Nichtsdestotrotz bleiben physisch replizierende ETFs die Favoriten. Damit entfällt auch das geringe Risiko einer Insolvenz von Swap-Partnern.
Entscheidung zwischen aktiver oder passiver Strategie
Sofern die gesamte Anlagesumme auf einmal investiert wird, sollte man aktiv gemanagte, vermögensverwaltende Fonds vorziehen, da hier Depotanpassungen durch das Portfoliomanagement erfolgen. Investiert man in eine passive Strategie, bleibt das Timingproblem, da man sich selbst für konkrete Strategien entscheiden muss. Dem kann man teilweise mit Sparplänen begegnen. Von Vorteil sind außerdem eine gute Selbsteinschätzung, Zeit und Disziplin, um mit passiven ETF-Strategien gute Ergebnisse erzielen zu können, da man gegebenenfalls selbst aktiv handeln muss, um Produkte auszutauschen.
Gastautor Andreas Görler ist Senior Wealth Manager bei Wellinvest – Pruschke & Kalm GmbH in Berlin. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
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