Corona als Katalysator der Digitalisierung
Zur Reduzierung des Infektionsrisikos haben Arbeitgeber praktisch aller Branchen entweder ihre Mitarbeiter freigestellt, in Kurzarbeit gesetzt oder von zu Hause arbeiten lassen. Insbesondere der Service-, Dienstleistungs-, Logistik- und Verwaltungsbereich haben hier, teilweise erstmalig, Optionen genutzt und die Arbeitskräfte im Home-Office beschäftigt. Das wirkt wie ein Katalysator für die Digitalisierung.
Prinzipiell kann auch jedes Geschäft darüber nachdenken, die Produkte, die physisch im Laden angeboten werden, selbst oder über einen Dienstleister an den Kunden, auf Online-Bestellung, zu versenden.
Eigentlich ist nichts davon neu. Es bedarf nur häufig eines extremen Drucks, bis sich feste Strukturen verändern. Wahrscheinlich wird eine Mischung aus neuen Bürokonzepten und Homeoffice künftig der Normalfall. Im gesamten Zahlungsverkehr hat das kontaktlose Bezahlen zugenommen. Für Finanzdienstleister wie VISA, Mastercard oder PayPal ergeben sich daraus Mehreinnahmen. Firmen wie Delivery Hero oder Amazon verzeichnen erhöhtes Bestellaufkommen und die Neigung, Teile des Verkaufs online abzuwickeln oder auch privat Dinge zu kaufen oder zu verkaufen, begünstigt E-Commerce-Firmen wie Alibaba oder Shopify. Auch Anbieter von Software für Videokonferenzen, wie Zoom, können derzeit enorm profitieren.
Hohe Bewertung der Top-US-Techwerte
Betrachtet man das Kurs-Gewinn-Verhältnis, müsste man der Meinung sein, dass die Bewertungen zu hoch sind. Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob Facebook, Apple, Amazon, Netflix oder Google gemessen am Value-Ansatz eigentlich viel zu teuer sind und Anleger dort weiterhin nur einsteigen, weil sie unterstellen, dass diese Unternehmen auch in Zukunft entscheidende Entwicklungen vorhersehen und in das eigene Geschäftsmodell implementieren. Der Vorsprung, den sich diese Unternehmen aufgebaut haben, ist enorm.
Außerdem entstehen solchen Firmen für jeden zusätzlichen Nutzer oder Käufer praktisch keinerlei Kosten mehr. Auch die Skalierungseffekte sind extrem. Eine Verpackung kostet eine Firma wie Amazon nur wenig. Amazon ist auch in der Lage, ein neues Segment, wie beispielsweise den Verkauf von Lebensmitteln, ein bis zwei Jahre ohne Gewinn, zu entsprechend niedrigen Preisen, anzubieten. Das können Rewe und Co. sicherlich nicht. Lediglich die große Reichweite, die Amazon abdecken muss, ist insbesondere bei Frischware ein Problem, da Kühlketten nicht eingehalten werden können.
Politischer Druck und Regulierung als Risiken
Problematisch sind allenfalls die große Marktmacht und Reichweite. Aktuell bekommt Facebook das zu spüren. Solche Giganten können im eigenen Land in Ungnade fallen oder durch Regulierung ausgebremst werden. Verschärfte Wettbewerbsrechte, Verbraucherschutz, Steuerfragen oder Datenschutzverordnungen führen unter Umständen zu höheren Kosten oder Strafzahlungen. Auch der sich deutlich verstärkende Trend, in nachhaltige Geschäftsmodelle zu investieren, kann sich für einige Firmen hemmend auswirken. Kritiker machen Amazon Vorwürfe wegen unfairer Arbeitsbedingungen. Facebook hört Vorhaltungen wegen des Umgangs mit den Daten. Indexorientierte Wertpapiere wie ETF enthalten die genannten Werte prinzipiell , da oft die Marktkapitalisierung für die Auswahl entscheidend ist. Das erzeugt automatisch Nachfrage. In den vergangenen zehn Jahren lagen Anleger damit sicherlich richtig. Das zeigt schon der Nasdaq-Index, in dem diese Werte einen großen Anteil ausmachen.
Unabhängig von der Pandemie gibt es schon seit Jahren bekannte Portfoliomanager, die für diese Werte eine Expertise aufgebaut haben. Mit dem Aktienfonds „The Digital Leaders“ aus dem Haus Universal-Investment wird in Unternehmen investiert, die einen hohen digitalen Reifegrad erreicht haben, in junge Firmen mit neuen Geschäftsmodellen, die sich erst etablieren müssen, und in Anbieter von Hard- und Software oder entsprechender Dienstleistungen. Das Investmenthaus ACATIS bietet mit dem ACATIS Datini Valueflex Fonds einen vermögensverwaltenden Ansatz, der alle Anlageklassen einschließt. Setzt man beide Fonds ein, gibt es zumindest derzeit relativ wenige Überschneidungen. Kauft man einfach nur die Tech-Fonds oder ETF-Lösungen bekannter Adressen hat man zwar unterschiedliche Produkte, aber die gleichen Werte im Depot. Eine echte Diversifikation und Risikoadjustierung finden dann nicht statt.
Aktive Strategien mit Basisinvestments als bessere Wahl
Fazit: In Extremsituationen wie im März dieses Jahres benötigen Anleger selbstverständlich gute Nerven, da die Schwankungen bei Aktienfonds oder Fonds mit hohem Aktienanteil überdurchschnittlich sind. Etablierte Tech-Werte gerieten zunächst ebenso unter Druck wie weniger bekannte Unternehmen. Wenig später trat aber wieder eine deutliche Erholung ein. Trotz aller Euphorie in diesen Bereichen sollten daher aktive Strategien Berücksichtigung finden, die auch Basisinvestments aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Wohnen, Wassermanagement und Versorgung berücksichtigen. All das sollte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit erfolgen, da dieses Thema weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.
Gastautor Andreas Görler ist Senior Wealth Manager bei der -Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.
Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
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