Schulz wünscht Merkel baldige Rente
Eine Front hat sich in der Rentenfrage des Bundestagswahljahres 2017 geklärt.
Der neue SPD-Herausforderer Martin Schulz, der auch als altes Gesicht Begeisterungsstürme bei seinen Genossen auslöst, erhebt den noch vor Wochen als tollkühn empfundenen Anspruch, Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Rente zu schicken.
In Umfragen erscheint die SPD inzwischen auf Augenhöhe mit der CDU und das Rennen ist offen. Merkels lapidarer Kommentar zur neuen Lage: Konkurrenz belebt das Geschäft. Schließlich behauptet die CDU, als Anhängerin der Sozialen Marktwirtschaft, Wettbewerb erfreulich zu finden.
Bei der Festlegung seiner politischen Ziele bleibt Schulz freilich unkonkret. Als langjähriger Präsident des Europaparlaments hat er sich mit den Details der deutschen Innenpolitik noch nicht so vertraut gemacht. Er weiß, dass er sich in der Frage der Altersvorsorge auf dünnem Eis bewegt. Deshalb hat er sich auf die bisherige Parteilinie festgelegt. So hat er sich gegen eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre ausgesprochen. „Ich bin nicht bereit, in der Referenzperiode, in der wir heute sind, wo wir entschieden haben, dass bis zum Jahr 2029 das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erweitert werden soll, jetzt schon wieder darüber zu diskutieren, dass die Rente erst mit 70 kommen soll.“ Die Rente mit 67 sei hart genug. „Dabei bleibt es und wenn wir die Mehrheit haben, wird es auch dabei bleiben“, sagte der präsumtive Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten.
Gleichzeitig kündigte Schulz an, dass er zusammen mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles an einem neuen Rentenkonzept arbeitet. Das Thema sei „hochkomplex“. „Es geht in die Richtung, dass wir versuchen, das, was heute stabil vorhanden ist, zu erhalten, ohne dass die Beitragssätze explodieren.“ Schulz schien nicht zu wissen, dass Nahles einen solchen Vorschlag längst vorgelegt und der scheidende Parteichef Gabriel von ursprünglichen Plänen zur Anhebung des Sicherungsniveaus bereits Abstand genommen hat.
Politiker wollen sich selbst kräftig die Rente erhöhen
Das Wahlkampfthema von Schulz heißt soziale Gerechtigkeit, obwohl seine Partei in der Regierung dafür eine besondere Verantwortung hat. Außerdem wirft ihm die Union im Europaparlament vor, bei der Abrechnung der Gelder für das Präsidentenamt lange Zeit das Gemeinwohl mit dem Mein-Wohl-Prinzip verwechselt zu haben. Wie glaubwürdig diese Ankündigungen in der Praxis sind, kann man an der Neuregelung der Altersversorgung von Landtagsabgeordneten ablesen. Nachdem sich vor allem die jungen Parlamentarier über die Privatisierung ihrer Versorgung und die anhaltende Niedrigzinspolitik mokierten, beschloss das Stuttgarter Parlament mit den Stimmen der Grünen, die inzwischen „staatserhaltender“ denn je agieren, der CDU und der oppositionellen SPD gegen die Stimmen von AfD und FDP die Rückkehr zu einer staatlichen Pension im Alter, was landesweit Empörung auslöste.
Der Bund der Steuerzahler sprach von einer „Luxus-Altersversorgung“. Die SPD-Landeschefin Leni Breymaier hat sich inzwischen von diesem Beschluss abgesetzt und warb für das langfristige SPD-Ziel einer Erwerbstätigenversicherung. „In diese gesetzliche, umlagenfinanzierte Altersversorgung bezahlen dann alle unabhängig vom Status ein, Arbeitnehmer, Beamte, Selbständige, freiberuflich Schaffende und Abgeordnete“, sagte Breymaier. Den sparsamen Schwaben bringen solche Ankündigungen nichts. Ihnen sind ihre Abgeordneten lieb und künftig teurer.
Höheres Rentenniveau ist kein Allheilmittel
Sollte die neue Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, am Mittwoch bei der nicht öffentlichen Sitzung des Deutschen Bundestages wider Erwarten nach diesem Thema gefragt worden sein, so wäre ihr Statement klar gewesen. Beamte in die Rentenversicherung aufzunehmen, ist für sie im Augenblick „unrealistisch“. In einem Interview meinte sie: „Wir sollten uns zunächst auf das Mögliche und Machbare beschränken. Da denke ich vor allem an die Selbständigen, die nicht in einem Pflichtsystem abgesichert sind.“ Die Aufnahme der Beamten sei eine „Herkulesaufgabe“.
Ob die Aussagen der Präsidentin zum Rentenniveau und der bei vielen ungeliebten Riester-Rente den Mandatsträgern gefiel, wissen wir nicht. Roßbach hat dazu aber eine klare Meinung: „Ein höheres Rentenniveau ist kein Allheilmittel für die Probleme der Risikogruppen.“ Ein Viertel der Empfänger der Grundsicherung nämlich erhalten keine gesetzliche Rente und weitere 40 Prozent weniger als 400 Euro. Auch die Riester-Rente verteidigt die neue Präsidentin. „Über 60 Prozent der Zulagenempfänger haben ein Einkommen von unter 30.000 Euro, fast 25 Prozent sogar von weniger als 10.000 Euro im Jahr.“
Ansonsten hat die Rente auch in dieser Parlamentswoche wieder den Deutschen Bundestag beschäftigt. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz befindet sich im parlamentarischen Geschäftsgang. Danach folgt das Vorhaben der Ost-West-Rentenangleichung. Gestorben ist wohl das Projekt der im Koalitionsvertrag vereinbarten „Lebensleistungsrente“, über dessen Realisierung sich die Koalitionspartner nicht einig sind. Die Rentenwoche klingt am heutigen Freitag mit einem Antrag der unbestritten fleißigen Linksfraktion aus. Dabei geht es um die Absicherung von Solo-Selbständigen, die in die Rentenversicherung eingebunden werden sollen.
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