„Realo“ Schulz und seine Beruhigungspillen
Der seit den Landtagswahlen im Saarland und am vergangenen Sonntag in Schleswig-Holstein nur noch mühsam dahinrumpelnde „Schulz-Zug“ machte zu Wochenbeginn Zwischenstation in der voll besetzten Industrie- und Handelskammer in Berlin. Martin Schulz, der neue SPD-Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidat, hielt dort seine mit Spannung erwartete erste wirtschaftspolitische Rede.
Der Hoffnungsträger der Genossen umschmeichelte die Unternehmer mit vielen Komplimenten, sieht aber Deutschland für eine Zukunft in der Digitalisierung nur unzureichend gerüstet. Mehr Staatsgelder als bisher soll es vor allem für Existenzgründer und für Forschung und Entwicklung geben.
Schulz rief zu einer Investitionsoffensive auf. Unerfüllbare Sozial- und Steuerversprechen wolle er nicht machen, sagte der Bewerber um das Amt des Kabinettschefs. Bei der Rente sprach er sich für eine „doppelte Haltelinie“ zur Sicherung des Rentenniveaus und zur Begrenzung der Beiträge aus. Im Übrigen sollten die Deutschen nicht ängstlich in die Zukunft schauen. Sie hätten allen Grund zu Selbstbewusstsein und Optimismus. Der Ex-Präsident des Europaparlaments war sichtbar bemüht, den Unternehmern die Angst vor einer SPD-geführten Koalitionsregierung zu nehmen. Er werde nur einen Pakt mit Partnern eingehen, die der ökonomischen Vernunft verpflichtet seien. Schließlich sei er sein ganzes Leben lang Realpolitiker gewesen. Da Schulz kein ausgewiesener Fachmann in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist, war interessant, wen er als Mitgestalter beim „ghostwriting“ erwähnte: Andrea Nahles, die Bundesarbeitsministerin, Olaf Scholz, den Bürgermeister von Hamburg und Hubertus Heil, den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion.
Betriebsrentenreform mit Verzögerung
Nun dauert es doch noch etwas länger mit der Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes durch den Deutschen Bundestag. Ursprünglich sollte es am 18. Mai im Parlament verabschiedet werden. Doch dann gab es weiteren Gesprächsbedarf in den Fraktionen der Großen Koalition. Jetzt stehen Beratung und Verabschiedung für die ersten Juni-Tage auf dem Programm. Mit wesentlichen Änderungen ist allerdings nicht mehr zu rechnen. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz stand auch im Mittelpunkt der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba).
Nächste Etappe bei der Flexi-Rente
Jahre dauerte das mühsame Fingerhakeln zwischen SPD und CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung um die sogenannte Flexi-Rente. Ab Juli werden nun weitere Teile des Gesetzes wirksam. Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer können bald flexibler ihren Rentenbeginn starten, ohne dass jeder hinzuverdiente Cent bei der Rente gleich wieder abgezogen wird. Das neue Gesetz ist kein großer Wurf, aber ein Fortschritt und vielleicht der Einstieg in einen künftig beweglicheren Gesamtrahmen. Einerseits soll der Anreiz zum freiwilligen Arbeiten jenseits der regulären Altersgrenze erhöht werden, andererseits geht es darum, mit einer Teilrente ab 63 zu locken und fleißige Hinzuverdiener zu unterstützen.
Kritik, aber keine vernünftigen Vorschläge
Was die Riester-Rente eigentlich bringt und wie man diese Rente vielleicht revitalisieren kann, darum ging es auch bei der Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten (BdV). Der Vorstandssprecher der Organisation, Axel Kleinlein, ließ kein gutes Haar an dieser Form der Vorsorge. Sie sei mit hohen Abschlusskosten verbunden. Zur Kritik der Verbraucherschützer meinte das Mitglied der Geschäftsführung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft, Peter Schwark, er vermisse vernünftige Gegenvorschläge zu Riester-Angeboten, von denen vor allem Geringverdiener und Familien profitieren. Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung Bund sprach sich für bessere und transparentere Informationen über die staatlich geförderte private Altersvorsorge und damit erworbene Ansprüche aus.
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