Neue Übersichtlichkeit für Europas Rentensysteme
Das Max-Planck-Institut für Sozialrecht hat online eine Übersicht über die Rentensysteme in zehn europäischen Staaten erstellt, die interessante Zahlen und Fakten verbindet.
Der demografische Wandel und sozio-ökonomische Faktoren sorgen weltweit für große Herausforderungen. Auch in Europa stehen staatliche Rentensysteme zunehmend unter Druck, um die finanzielle Versorgung ihrer Bürger im Alter zu gewährleisten.
Nun hat das in München ansässige Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik eine Übersicht erarbeitet. Pension Maps informieren zur Historie der Altersversorgung und zeigen, wie diese bei unseren europäischen Nachbarn funktioniert beziehungsweise welche Ruhestandsregelungen jeweils gelten. Vorerst umfasst diese Dokumentation zehn Staaten. Neben Deutschland zählen Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Slowenien und Tschechien dazu. Eine Erweiterung um 22 Staaten ist bereits in Arbeit. Das DIA stellt ausgewählte Punkte zu einzelnen Ländern vor.
Rentensysteme punktuell im Blick: Bulgarien
In Bulgarien wird durch verschiedene Maßnahmen und Systeme ein Mindesteinkommen im Alter gewährleistet. Anspruchsberechtigte Personen erhalten garantierte Leistungen in Höhe von mindestens der gesetzlichen Mindestrente. Ältere Personen, die keinen Rentenanspruch – auch nicht aus anderen Ländern – erworben haben, können ab dem 70. Lebensjahr eine bedürftigkeitsabhängige Sozialrente beantragen. Zudem gibt es unter bestimmten Voraussetzungen auch Rentenzuschüsse im Falle geleisteter familiärer Pflege beziehungsweise für Wohnen und Heizen.
Griechenland: Kombinierte Rente
In Griechenland funktioniert Altersvorsorge in einer Kombination aus obligatorischer gesetzlicher Rentenversicherung und einem Zusatzrentenversicherungssystem. Beide Lösungen sind für sämtliche Erwerbstätige, Selbstständige und Landarbeiter Pflicht. Im Rentenalter werden daraus eine einkommensbezogene (beitragsabhängige) Rente und eine steuerfinanzierte (nationale) Pauschalrente gespeist, wobei letztere an einen mindestens 40-jährigen Wohnsitz in Griechenland gekoppelt ist. Wer von Altersarmut betroffen ist, kann eine steuerfinanzierte Solidaritätsbeihilfe erhalten.
Slowenien: Sondermodell für Risikoberufe
In Slowenien ist die Mehrheit der Erwerbstätigen, einschließlich der Selbstständigen, im Rahmen der gesetzlichen Renten- und Invalidenversicherung pflichtversichert. Aus diesen Beiträgen werden spätere Renten und Zulagen finanziert, wobei Empfänger niedrigerer Renten von höheren Zulagen profitieren. Zudem gibt es eine verpflichtende Zusatzrentenversicherung für besonders risikobehaftete Berufsgruppen, die ausschließlich aus Arbeitgeberbeiträgen stammt. Hier sind unter anderen auch Soldaten und Polizisten versichert.
Frankreich: Private Zusatzvorsorge obligatorisch
Das französische System bietet verschiedene Möglichkeiten, gesetzliche Rentenleistungen durch private Sparpläne aufzustocken. Dafür gibt es fiskalische Anreize, um Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu motivieren. Dafür wurden drei Arten von privaten Rentenprodukten geschaffen: individuelle Rentenpläne, kollektive betriebliche Altersversorgungspläne mit Opt-out-Funktion und für Arbeitnehmer obligatorische kollektive Pensionspläne. Charakteristisch für die betriebliche Altersversorgung in Frankreich ist allerdings die Tatsache, dass diese auf zahlreiche Berufsgruppen speziell fixiert ist. Dies macht gegebenenfalls entsprechende Reformen komplizierter.
Italien: Lebensversicherungen als Basis
Eine im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung früher garantierte Mindestrente wurde ab 1996 für Neueinsteiger abgeschafft. Dennoch existieren öffentliche Rentensysteme beziehungsweise spezielle steuerfinanzierte Sozialhilfen, um allen älteren Menschen mit unzureichenden finanziellen Mitteln ein Mindesteinkommen zu garantieren. Diese sind unter Umständen an Einkommen und Aufenthaltsstatus gebunden. Darüber hinaus kann ein einkommensabhängiger monatlicher Zuschlag ab 70 Jahren geltend gemacht werden. 2019 wurde eine bedürftigkeitsabhängige Staatsbürgerschaftsrente für Menschen ab 67 Jahren eingeführt, bei der jedoch bestimmte Kriterien gelten. Zudem führte Italien ab dem Jahr 2000 neue Formen kapitalfinanzierter individueller Pensionspläne auf der Basis von Lebensversicherungsverträgen ein. Diese werden von Versicherungsunternehmen angeboten und steuerlich gefördert.
Norwegen: Systematische Vorsorge gefordert
Alle Norweger sind im Rahmen des norwegischen Sozialversicherungssystems gesetzlich rentenversichert. Daraus werden im Rentenalter eine einkommensbezogene Rente beziehungsweise eine garantierte Mindestrente finanziert und bezogen. Grundlage für die Berechnung der Rentenhöhe ist das Lebenseinkommen zwischen 13 und 75 Jahren. Ein flexibler Renteneintritt ist vom 62. bis zum 75. Lebensjahr möglich. Eine betriebliche Altersversorgung (bAV) ist sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Sektor obligatorisch. Wobei in der bAV Arbeitgeber verpflichtet sind, mindestens zwei Prozent des Einkommens in einen beitragsorientierten Pensionsplan einzuzahlen. Spezielle Rentenlösungen gibt es zudem für staatliche oder kommunal tätige Beamte. Auch Selbstständige erhalten eine Altersrente aus der staatlichen Rentenversicherung. Zusätzlich können sie freiwillig Beiträge in eine Defined-Contribution-Lösung (Beitragszusage) leisten oder beispielsweise als Unternehmer ebenfalls in die bAV-Lösung einzahlen, die sie für ihre Arbeitnehmer eingerichtet haben. Darüber hinaus gibt es ein individuell nutzbares Rentensparsystem.
Großbritannien: Rentensystem 2014 neu geordnet
Großbritannien hat 2014 wichtige Grundlagen der staatlichen Rentenversicherung im „Pensions Act“ festgelegt. Dabei wurde eine „New State Pension“ für Bürger eingerichtet, die nach 2016 das Rentenalter erreichen. Grundvoraussetzung für den Versorgungsanspruch ist eine mindestens zehnjährige Beitragszahlung. Charakteristisch für das System ist dabei die Tatsache, dass die spätere Rentenhöhe von der Anzahl der jährlichen Beiträge abhängig ist, nicht von deren Höhe. Einzelpersonen haben Anspruch auf die volle Pauschalrente, wenn sie mindestens 35 Jahre lang Beiträge geleistet haben. Ansonsten werden die Rentenzahlungen proportional gekürzt. Freiwillige Einzahlungen können ebenso geleistet werden, um etwaige Lücken zu füllen. Selbstständige können privat vorsorgen und dabei verschiedene Steuererleichterungen in Anspruch nehmen.
Österreich: Hohe Altersbezüge inklusive
Von einer besonders großzügigen Rentenlösung profitieren die Menschen in Österreich. Nach OECD-Angaben kommen „Standardrentner“ dort auf 89,9 Prozent ihres früheren Netto-Lohns. Zum Vergleich: für Deutschland geben die Münchner Sozialexperten diese Quote mit 51,9 Prozent an. Im Rahmen einer Einkommensprüfung gewährt die staatliche österreichische Rentenversicherung auch eine Ausgleichszulage, die eine Mindestrente garantiert. Langjährig Versicherte können zusätzlich noch einen Pensionsbonus erhalten. Vor allem kommen unsere österreichischen Nachbarn auch früher in den Genuss ihrer Ruhestandsgelder. Während sich in Deutschland (und anderswo) das Renteneintrittsalter sukzessive erhöht, können Österreicher weiterhin mit 65 Jahren ihren Ruhestand antreten.
Tschechien: Gesetzliche Rente auf Mindestniveau
In Tschechien wird im Alter eine gewisse Standardversorgung durch die gesetzliche Altersrente gewährleistet. Darin ist die gesamte wirtschaftlich aktive Bevölkerung obligatorisch versichert. Daneben bestehen spezifische Regelungen für Ansprüche auf Vorruhestandsrente oder – ähnlich der deutschen Knappschaft – beispielsweise für die Pensionierung von Bergleuten. Generell gibt es ein gesetzliches Mindestrentenniveau. Renten dürfen nicht unter zehn Prozent des durchschnittlichen Monatsgehalts fallen. Rentner, die älter als 85 Jahre sind, erhalten einen Zuschlag zur Altersrente.
Alles im Blick beim Thema Rente
Alle Pension Maps, Details, Factsheets und ergänzenden Informationen sind online in englischer Sprache frei verfügbar. Neben einer allgemeinen Zusammenfassung für die Rentensysteme gibt es auch tabellarische Übersichten über die wichtigsten institutionellen Merkmale, Finanzierungsmechanismen, Anspruchsvoraussetzungen und Leistungen. Für die bessere Vergleichbarkeit wurde ein spezielles Kategoriensystem entwickelt, das Rechtsform, Funktion, Zugangsberechtigung, Art der Zugehörigkeit (verpflichtend oder freiwillig), Bedürftigkeitsprüfung sowie Finanzierungsarten und -quellen umfasst. Ausgegangen wird zudem von einer Person, die im Jahr 2020 ins Berufsleben und damit als Beitragszahler in das Alterssicherungssystem eintritt.
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