Haltelinie mit begrenzter Haltbarkeit
Die Rentenkommission der Bundesregierung wird neben den Empfehlungen für den Umgang mit der doppelten Haltelinie bei Beitrag und Rentenniveau auch eine Antwort auf die Frage geben müssen, wie die Stellschrauben der Gesetzlichen Rentenversicherung langfristig ins Gleichgewicht zu bringen sind.
Diese Erwartungen formulierte Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund kürzlich auf dem Zukunftsmarkt Altersvorsorge, der zum 20. Male in Berlin tagte.
Außerdem müsse die Kommission einen Vorschlag für eine ausreichende Mindestrücklage zur Liquiditätssicherung vorschlagen. Darüber hinaus stünden einige weitere Themen im Fokus der Kommission: das Zusammenspiel der drei Säulen der Alterssicherung, die Veränderung der Arbeitsbiografien, die Vermeidung von Altersarmut sowie die Rolle von Prävention und Rehabilitation.
Dabei hat die Große Koalition, noch bevor die Rentenkommission richtig mit der Arbeit beginnen konnte, erste Tatsachen geschaffen. Zum Beispiel die vereinbarten Haltelinien bei Beitrag und Rentenniveau, weitere Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und eine erneute Ausweitung bei der Kindererziehungszeit für Geburten vor 1992. Die Ausweitungen belasten die Rentenkasse mit zusätzlichen Kosten. So fallen für die längeren Kindererziehungszeiten pro Jahr 3,85 Milliarden Euro an. Dennoch werden die vereinbarten Haltelinien bis 2025 nicht gerissen. So steigt der Beitragssatz 2024 auf 19,9 Prozent. Er ist damit 0,5 Prozentpunkte höher als nach dem bis 2018 geltendem Recht, bleibt aber noch unter der Haltelinie von 20 Prozent. Selbst 2020 wird diese vereinbarte Linie nach den Berechnungen der Rentenversicherung nicht gerissen.
Ähnlich verhält es sich beim Rentenniveau. Die Haltelinie von 48 Prozent wird unter der Rechtslage, die mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz gilt, bis 2025 unten nicht unterschritten. Das Rentenniveau bleibt bis 2024 bei 48,3 Prozent und geht 2025 nur geringfügig auf 48,0 Prozent zurück. Auch beim Rentenniveau muss die vereinbarte Haltelinie also nicht greifen. Die doppelte Haltelinie, die von der SPD als wirkungsvolles Instrument zur Stabilisierung der Situation von Beitragszahlern und Rentnern dargestellt worden ist, tritt in der vereinbarten Zeit gar nicht in Kraft. Danach aber gilt die vorherige Gesetzeslage, da die Haltelinien nur bis 2025 vereinbart wurden. Von der Rentenkommission wird es dann abhängen, wie es nach 2025 bei Beitrag und Rentenniveau weitergeht.
Verbesserung bei EM-Rente wirken
Während die doppelte Haltelinie mehr oder weniger nur einen agitatorischen Zweck erfüllt, wirken die mehrfachen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Sie seien auch nachvollziehbar, erklärte Gundula Roßbach auf der Expertentagung in Berlin. So sei der Bezug von Grundsicherung unter den Empfängern von Erwerbsminderungsrente mehr als fünfmal so hoch wie unter den Altersrentnern. „Außerdem können Erwerbsgeminderte den Renteneintritt, anders als die Bezieher von vorgezogener Altersrente, nicht vermeiden“, fügte die Präsidentin der Rentenversicherung hinzu.
Nebeneffekt noch schwer einschätzbar
Die dreimaligen Maßnahmen zur Verbesserung der Erwerbsminderungsrente (2014, 2017, 2019), vor allem die Verlängerung der Zurechnungszeit, hat aber auch einen nicht unbedingt gewollten Nebeneffekt. Sie führen dazu, dass Erwerbsminderungsrenten bei Versicherten, die die Voraussetzungen für eine vorzeitige Altersrente erfüllen, deutlich höher sind als diese Altersrenten. Welche Auswirkungen das mit sich bringt, lässt sich heute noch nicht genau beurteilen. Gundula Roßbach rechnet aber mit einem deutlichen Anstieg der Beratungen und auch mit einer Zunahme der Zugänge in Erwerbsminderungsrente. Versicherte könnten also, statt mit Abschlägen vorzeitig in Rente zu gehen, den Weg über eine Erwerbsminderungsrente in Betracht ziehen, falls die gesundheitlichen Bedingungen entsprechend sind.
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