Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD-Chef und potentieller Kanzlerkandidat seiner Partei, liebt Deftiges. Sprachlich und bildlich zugleich.
Störern vom rechten Rand zeigt er den Stinkefinger, was manche eine verständliche, andere als eine obszöne Geste werten. Mal mischt er sich überraschend unter Pegida-Demonstranten, um den Dialog zu suchen, dann kanzelt er sie als „Pack“ ab. Vor den Emotionen dieses Energiebündels ist niemand und nichts sicher.
Dabei hat die Bundesbank in ihrem Monatsbericht, der erstmals die Entwicklung des Rentensystems und Versorgungsniveaus bis 2060 untersucht hat, nur Altbekanntes festgestellt und darauf hingewiesen, dass ein steigendes Renteneintrittsalter nur ein Ausgleich für die steigende Lebenserwartung sei. Wer 1960 mit 65 Jahren in Rente ging, hatte statistisch gesehen noch eine verbleibende Lebenserwartung mit Rentenbezug von 13,5 Jahren. Heute seien es durchschnittlich 19 Jahre verbleibende Lebensarbeitszeit, heißt es in dem Report.
Selbst bei einer Rente mit 69 bis zum Jahr 2060 stehe – so die Bundesbank – das Rentensystem unter Druck. Es sei mit einem Beitragssatz von derzeit 18,7 auf 24 Prozent zu rechnen. Die Bundesregierung will diesen Satz bis 2030 bei 22 Prozent limitieren, um die aktiv arbeitenden Generationen nicht weiter zu belasten.
Mit klassenkämpferischen Slogans kann Gabriel die Rentenwirklichkeit aber nicht verdrängen. Seine Vorstöße sind bar jeder verantwortungsvollen Konzepte, die zeitweilig von ihm geforderte Anhebung des Rentenniveaus hätte 30 Milliarden Euro gekostet.
Jeder halbwegs kundige Thebaner weiß, dass eine Anhebung des faktischen Renteneinstiegsalters notwendig und unumgänglich ist. Immer neue spektakuläre Forderungen, ob der Bundesfinanzminister mit seiner Rente mit 70 oder noch darüber hinaus gehende Arbeitgeberfunktionäre, helfen allerdings auch nicht weiter. Das Rentenalter muss an die Lebenserwartung angekoppelt werden. Wichtig ist auch, dass die Berliner Politik zur beschlossenen Rente mit 67 steht und sich kein rollback wie bei der Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren leistet. Die Versuchung für eine neuerliche Verdrängung der Fakten ist groß, stehen wir doch vor einem Wahlkampf.