Mexiko, Lateinamerikas zweitgrößte Volkswirtschaft, ist ökonomisch zwar durchaus auf dem Sprung vom Agrar- und Schwellenland zum Industriestaat, doch die derzeitigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind vor allem eins: immens.
Neben Korruption und Kriminalität, Drogenkrieg und Gewalt sowie Trump und NAFTA zählt dazu auch das staatliche System der gesetzlichen Altersvorsorge. Sofern davon überhaupt die Rede sein kann.
Zu viele Strukturen, zu wenig Effizienz
Die Rente in Mexiko ist ein komplexes Thema. Zwar basiert auch das mexikanische Rentensystem für Arbeitnehmer auf drei Säulen: der staatlichen, der privaten und der beruflichen Altersvorsorge, doch deren Stellenwert und Struktur sind nur annähernd mit dem deutschen System vergleichbar. Zudem unterscheidet es zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Bei letzterem ist wiederum wegen einer Rentenreform entscheidend, ob Beschäftigte bereits bis zum Jahr 2007 oder erst später eingestellt wurden. Danach gelten andere Verrentungsfaktoren.
Außerdem existieren verschiedene Rentenmodelle. Es gibt sowohl eine beitragsorientierte Rente, die nach ca. 24 Jahren Erwerbsleben greift, als auch eine Mindestrente für alle über 65-Jährigen. Deren Höhe ist allerdings äußerst gering. Auch eine Aufstockung von Renten aus Staatsmitteln ist möglich. Dazu kommt ein arbeitgeberfinanzierter Lohnaufschlag, der eine spätere Rente finanzieren soll. Dieser wird in ein gesondertes, staatlich kontrolliertes Rentenkonto eingespeist.
Zu wenig Rente für alle
Nach OECD-Schätzungen erreicht das mexikanische Modell sozialer Absicherung nur 60 Prozent aller über 65-Jährigen. Neben Korruption, administrativen Hürden oder Analphabetentum sorgen auch intransparente Strukturen dafür, dass soziale Sicherungsleistungen nicht überall ankommen und daher nicht alle Anspruchsberechtigten tatsächlich Rente erhalten. So sollen laut OECD in den drei verantwortlichen Departments für Soziales und Armutsbekämpfung allein rund 5.000 unterschiedliche Programme existieren. Auch das führt dazu, dass in Mexiko weiterhin mehr als die Hälfte (50,6 Prozent) in Armut und 17,5 Prozent der Bevölkerung sogar in extremer Armut leben.
Insgesamt sind die Staatsausgaben für Altersrenten und Hinterbliebenenbezüge eher gering bemessen. Im Jahr 2016 beliefen sie sich lediglich auf 2,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Insofern verwundert auch das Rentenniveau in Mexiko nicht. Es erreicht bei Geringverdienern 35,1 Prozent und bei Durchschnittsverdienern 29,6 Prozent des letzten Brutto-Einkommens. Da hilft es wenig, wenn bei staatlichen Rentenleistungen die aktuelle Inflation vierteljährlich bei der Bemessung der Rentenhöhe berücksichtigt wird.
Einige sind privilegiert
Dazu kommt, dass es eine Vielzahl sozialer Versorgungssysteme gibt. So verfügen lokale, regionale, staatliche oder auch universitäre Institutionen jeweils über eine eigene Altersabsicherung. Die dort Beschäftigten werden als privilegiert angesehen. Das gilt erst recht für den größten öffentlichen Arbeitgeber, den Staats- und Energiekonzern Pemex. Dessen Mitarbeiter verfügten über vergleichsweise überdurchschnittliche Löhne und Rentenansprüche, die bisher gesetzlich restriktiv geschützt wurden. Doch mit einer 2013 initiierten Energiewende sind auch private Investitionen im Erdölsektor möglich. So lässt sich auf längere Sicht nicht absehen, inwieweit diese Privilegien in der Branche Bestand haben.
Migration in alle(n) Richtungen
Mexiko ist ein Land in Bewegung. Zum einen strömen immer noch Millionen Mexikaner Richtung USA bzw. an die wirtschaftlich prosperierende Grenze. Aber auch für geschätzte zwei Millionen Menschen aus den südlicher gelegenen Ländern des Kontinents ist Mexiko ein wichtiges Transitland. Zum anderen kehren immer mehr Mexikaner aus ihrer oftmals illegalen Wirtschafts-Diaspora zurück. Seit der Trump-Ära hat sich ihre Zahl deutlich vergrößert. Schätzungen zufolge wird zumindest ein Drittel der aktuell in den USA lebenden 11,7 Millionen Mexikaner zurückkehren, gealtert, oft krank oder ausgepowert und vor allem ohne Rente. Eine zusätzliche Belastung für das ohnehin limitierte Rentensystem Mexikos.
Mexikos Rentner, Donald Trump und die „Remesas“
Mit diesen Rückkehrern könnte auch eine äußerst wichtige Geldquelle für Millionen Mexikaner im Alter zunehmend versiegen: die „Remesas“ (Rücküberweisungen). Dabei handelt es sich um Geldtransfers von Mexikanern, die in den USA leben. Von Januar bis November 2017 erreichten diese Überweisungen nach Mexiko ein Rekordvolumen von 26,16 Milliarden US-Dollar. Doch nicht nur die schrumpfende Zahl von in den USA lebenden Mexikanern gefährdet die Remesas. Diese Geldtransfers sollen nach dem Willen des US-Präsidenten zukünftig besteuert werden. Dies würde jedoch insbesondere die ärmsten Bevölkerungsschichten Mexikos treffen, die am stärksten von den Rücküberweisungen ihrer in den USA tätigen Verwandten abhängig sind. Nicht selten erhalten die Älteren beispielsweise von ihren Kindern auf diese Art eine Altersversorgung.
International eher am Ende
Auch nach internationalen Maßstäben steht das mexikanische Rentensystem nicht gut da. Im Vergleich der Altersvorsorgesysteme in 30 ausgesuchten Ländern erreichte Mexico lediglich den 27. Platz. Die Studie „Melbourne Mercer Global Pension Index 2017“ bewertete die Altersversorgung verschiedener Länder hinsichtlich ihrer Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität. Dabei wurden neben den staatlichen Rentensystemen und der betrieblichen Altersversorgung auch private Anlagen und Vorsorgemaßnahmen berücksichtigt.