Nachlass nicht erst nach einem Schicksalsschlag regeln
Wer Erbstreitigkeiten vermeiden und das eigene Vermögen in gute Hände geben will, sollte lieber früher als später einen Plan dafür entwickeln. Das rät Mathias Dopfer, Erbschafts- und Stiftungsplaner bei der AnCeKa Vermögensbetreuungs AG.
Warum ist es keine gute Idee, Regelungen für den Nachlass zu lange hinauszuschieben?
Notfälle kommen meist unerwartet und Angehörige sind schnell von der Situation überfordert. Ohne einen klar formulierten letzten Willen führt das dann oft zu tiefgreifenden Familienstreitigkeiten. Deswegen raten wir dazu, sich lieber früher als später Gedanken um den Nachlass zu machen. Um wirklich wasserdichte Regelungen zu hinterlassen, ist es empfehlenswert, sich den Rat unabhängiger Experten einzuholen und ein Testament zu errichten. Viele denken, die gesetzlichen Regelungen oder eine handschriftliche Abfassung des letzten Willens reiche. Aber das Risiko ist relativ groß, dass dadurch handlungsunfähige Erbengemeinschaften entstehen oder durch unscharfe Formulierungen letztlich doch Unklarheiten hinterlassen werden, die eine Familie gegeneinander aufbringen können.
Steuerliche Aspekte bei größeren Vermögen
Welcher runde Geburtstag ist ein guter Zeitpunkt, um sich mit Fragen wie Erbe, Vollmachten und Nachfolgeregelungen auseinanderzusetzen?
Das ist eigentlich keine Frage des Alters. Auch in jungen Jahren können Krankheiten zu einer vorübergehenden Geschäftsunfähigkeit oder Unfälle zum Tod führen. Da ist es dann von großem Vorteil, wenn Vertrauenspersonen die entsprechenden Vollmachten haben, um zum Beispiel die Bankgeschäfte weiterzuführen oder Versicherungsangelegenheiten zu klären. Leider gehen viele solche Dinge gar nicht oder erst dann an, wenn sie einen Schicksalsschlag erleben oder es jemanden im nahen Umfeld trifft. Auch beim Thema Vererben ist eigentlich das Lebensalter weniger entscheidend, sondern die Komplexität der Situation. Gerade bei größeren Vermögen ist es zudem nicht unwichtig, auch steuerliche Aspekte zu beachten. Da können frühzeitige Regelungen hilfreich sein.
Ohne klare Regeln bricht schnell Streit aus
Ist eine frühzeitige Finanzplanung über den Tod hinaus also eher für vermögende Menschen sinnvoll?
Natürlich spielt das eine Rolle, wenn es um die Nutzung von Freibetragsgrenzen geht. Aber eigentlich ist es eher eine Frage der familiären Situation und der Struktur als eine Frage der Vermögenshöhe. Eine alleinstehende Witwe, die etwas auf dem Konto oder in einem Depot gespart hat und im selbstgenutzten Eigenheim wohnt, in das nach dem Tod das einzige Kind einziehen soll, muss wenig regeln. In einer Patchwork-Lebensgemeinschaft mit Abkömmlingen aus erster Ehe und einem Haus, das einem der Partner gehört, aber der andere im Todesfall dort weiter wohnen soll, ist das schon nicht mehr so einfach.
Selbst bei überschaubarem Vermögen ist es im Zweifel besser, klare Regelungen zu treffen. Sonst kann selbst bei einem Schrebergarten und drei Kindern Streit ausbrechen. Klar, wenn jemand mit mehreren Erbberechtigten noch zusätzlich ein paar Baugrundstücke besitzt, ein großes Ferienhaus im Ausland hat und eine Unternehmensbeteiligung sein Eigen nennt, wird der Nachlass nicht weniger komplex und sollte möglichst geordnet übergeben werden.
Inflation entwertet Freibeträge
Welche Rolle spielen Inflation und neue Immobilienbewertungen fürs Vererben?
Tendenziell steigen die Preise aller Vermögenswerte über die Jahre. Das gilt nicht nur für Immobilien, sondern auch für Aktien oder verzinste Geldvermögen. Da aber der Freibetrag zum Beispiel für Kinder in Höhe von 400.000 Euro seit mehr als einem Jahrzehnt unverändert ist, kann unter dem Strich immer weniger steuerfrei vererbt werden. Allerdings leben diese Freibeträge zehn Jahre nach einer Schenkung zu Lebzeiten erneut auf. Da ist es eine Überlegung wert, nicht zu lange abzuwarten, insbesondere angesichts der zuletzt deutlich anziehenden Geldentwertung. Steuerliche Aspekte sollten aber besser nicht die Hauptrolle spielen. Jeder Schenkende sollte sich seiner Sache sicher sein, denn einmal Übertragenes wieder zurückzuholen ist schwierig.
Vermögensübergang mit Nießbrauch gestalten
Wie sichert man die eigene finanzielle Versorgung, wenn man schon zu Lebzeiten Vermögen überträgt?
Natürlich ist es wichtig, dass man seinen Willen rechtzeitig regelt, aber niemand sollte sich arm schenken. Bevor es also ans Aufteilen geht, sollte die eigene Vermögenssituation möglichst umfassend analysiert und eine ausreichende finanzielle Reserve zurückbehalten werden. Zudem ist es möglich, Vermögen zu übertragen, sich aber die Nutzung vorzubehalten. Solche Nießbrauchmodelle kennen viele von Immobilien, die an die Kinder überschrieben werden. Die Eltern behalten sich dabei ein lebenslanges Wohnrecht vor oder können mögliche Mieteinnahmen in die Altersvorsorge einfließen lassen. Was vielen nicht bewusst ist, so etwas gibt es zum Beispiel auch für Aktiendepots. Zudem hat das noch einen steuerlichen Vorteil, der Nießbrauchvorbehalt reduziert den für die Freibeträge angesetzten Wert des übertragenen Vermögens je nach Lebensalter des Schenkers.
Potenzielle Erben früh in Entscheidungen einbinden
Wie wichtig ist es, Nachfolger zu qualifizieren, dass sie mit dem Nachlass nicht überfordert sind?
Große Geldvermögen einem jungen Erwachsenen zur freien Verfügung zu überlassen, kann diesen schnell überfordern. Nur die wenigsten haben schon in jungen Jahren den Weitblick, sich nicht auf Konsumversuchungen vom schnellen Auto bis zum Luxusurlaub einzulassen. Es gibt hier verschiedene Lösungen, die Vermögensnachfolger Schritt für Schritt an so etwas heranzuführen. Neben den bereits erwähnten Nießbrauchmodellen existieren auch andere vertragliche Lösungen, wodurch über Vermögen erst ab einem festgelegten Alter vollständig verfügt werden kann. Wir haben zudem gute Erfahrungen gemacht, wenn potenzielle Erben möglichst frühzeitig bei Anlageentscheidungen und Gesprächen mit Fachleuten eingebunden werden. Nach einer gewissen Zeit stellt sich dann bei vielen eine Reife ein, die eine gute Grundlage für die Zukunft ist, wenn Entscheidungen irgendwann allein getroffen werden.
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