Mittelschicht und Millennials unter Druck
Stagnierende Einkommen, steigende Kosten – in den Industriestaaten stehen laut einer OECD-Studie besonders die Millennials vor wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sie immer weniger gewachsen sind.
Für die Mittelschicht wird es schwieriger, ihren gewohnten Lebensstandard dauerhaft zu finanzieren. Einerseits gibt es ein hohes Konsumbedürfnis, andererseits hält die Entwicklung der Einkommen nicht mit den steigenden Kosten mit.
In Deutschland führen insbesondere höhere Mieten und längere Ausbildungszeiten dazu, dass immer weniger Menschen das wirtschaftliche Level der Mittelschicht erreichen können. Die OECD definiert dieses mittlere Einkommen im Segment von 75 bis 200 Prozent des nationalen Medianeinkommens. In der jüngst veröffentlichten OECD-Studie „Under Pressure: The Squeezed Middle Class“ werden unterschiedliche Belastungen und Entwicklungen im Hinblick auf Beruf, Vermögen und Schulden, Konsumverhalten sowie soziale Einstellungen dokumentiert. Davon sind vor allem die sogenannten Millenials betroffen. Diese auch als Generation Y bezeichnete Altersgruppe wird in der Studie den Geburtsjahrgängen zwischen 1983 bis 2002 zugeordnet.
Wohnkosten treiben die Ausgaben
Prinzipiell sehen die Autoren der Studie drei wesentliche Gründe, die dazu führen, dass sich die ökonomische Lage der Mittelschicht zwischen 1985 und 2015 zunehmend verschlechterte. Zum einen profitierten die Haushalte der Mittelschicht weniger stark vom Wirtschaftswachstum als Reichere. So stiegen die mittleren Einkommen der Studie zufolge ein Drittel weniger als das Durchschnittseinkommen der oberen zehn Prozent der Bevölkerung. Zweitens führten gestiegenes Konsumbedürfnis und wachsende Lebenshaltungskosten dazu, dass ein angestrebtes ökonomisches Niveau immer schwerer zu erreichen ist. Hierbei zählen vor allem die überall erhöhten Aufwendungen für Immobilien oder Mietzahlungen zu den Kostentreibern. So stieg im OECD-Durchschnitt der Anteil der Wohnkosten an den Haushaltsausgaben von 25 Prozent (1995) auf 32 Prozent (2015). In Deutschland lag der dafür fällige Anteil zuletzt sogar bei 35 Prozent. Eine Entwicklung, die gerade hierzulande für immer mehr Menschen ein höheres Überschuldungsrisiko birgt beziehungsweise einen Umzug nach sich ziehen könnte.
Veränderte Einkommensstrukturen
Als dritten Grund führen die OECD-Experten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und bei den Einkommensstrukturen an. Während früher oft lediglich ein Verdiener mit hoher Qualifikation und entsprechend hohem Einkommen ausreichte, um zur mittleren Einkommensschicht zu gehören, ist das heutzutage in der Regel nur noch durch zwei Verdiener möglich. Auch bei einst gut dotierten Jobs wird nicht mehr ein ähnlicher Einkommensstatus wie in der Vergangenheit erreicht. Dies liege zum Teil auch an der zunehmenden Automatisierung – die laut dieser Studie im OECD-Durchschnitt und auch in Deutschland etwa jeden sechsten Arbeitsplatz der Mittelschicht bedroht. Ebenso führten längere Ausbildungszeiten oder wachsender Spezialisierungs- sowie Qualifizierungsbedarf dazu, dass gewünschte Einkommensklassen erst später oder nur eingeschränkt erreicht werden.
Mittelschicht schrumpft
Insgesamt fiel aufgrund dieser Entwicklungen der Anteil der Menschen in Mittelstandshaushalten von 1985 bis 2015 im Durchschnitt von 64 auf 61 Prozent. In Deutschland liegt dieser Wert zwar mit 64 Prozent noch über dem OECD-Durchschnitt, ist allerdings auch geschrumpft. Zudem zählen hierzulande nur sieben Prozent zur oberen Einkommensklasse (OECD: 9 Prozent). Zur unteren Einkommensschicht gehören OECD-weit wie auch in Deutschland jeweils 18 Prozent; als arm gelten bei uns zehn Prozent (OECD: 11 Prozent).
Immer weniger Millennials schaffen wirtschaftlichen Aufstieg
Die verschiedenen Generationen schneiden in puncto mittleres Einkommen unterschiedlich ab. So erzielten im OECD-Durchschnitt bei den Babyboomern (Geburtsjahrgänge 1943 bis 1964) noch über zwei Drittel (68 Prozent) ein Mittelschichtseinkommen. In Deutschland waren das sogar 71 Prozent. Bei der sogenannten Generation X (Geburtszeitraum von 1965 bis 1982) hingegen waren es OECD-weit nur noch 64 Prozent, in Deutschland 70 Prozent. Bei den Millennials sank dieser Anteil noch einmal signifikant. Im OECD-Durchschnitt schafften es nur noch 60 Prozent und bei den deutschen Millenials 61 Prozent, dieses Einkommensniveau zu erreichen.
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