Für die meisten Künstler wäre es eine wahre Kunst, von ihrer Kunst auch leben zu können – von der Altersvorsorge ganz zu schweigen.
Dies legt zumindest eine aktuelle Studie zur finanziellen Situation in der deutschen Künstler-Metropole Berlin nahe. Sie offenbart zugleich einen markanten Gender Pay Gap in der Kunstszenerie.
Nur jeder Zehnte lebt von der Kunst
Diese Attraktivität macht sich allerdings nicht bei den Einnahmen und Honoraren der in Berlin ansässigen Künstler bemerkbar. Ihr durchschnittliches Jahreseinkommen lag der Studie zufolge im Jahr 2017 bei etwa 20.000 Euro. Dieser Wert wurde allerdings nur von wenigen erreicht und setzt sich aus unterschiedlichen Quellen zusammen. Dazu zählen Einkünfte aus künstlerischer wie nicht-künstlerischer Arbeit, Förderprogramme und Stipendien, staatliche Unterstützung, die sich nicht auf die künstlerische Arbeit bezieht (Arbeitslosengeld, „Hartz IV“, Sozialhilfe) sowie anderweitige Zuwendungen.
Mehr als die Hälfte zahlt drauf
Für über die Hälfte der Berliner Künstler ist ihre Passion ein Verlust- oder zumindest ein Zuschussgeschäft. So konnten die Einkünfte aus der künstlerischen Arbeit im Jahr 2017 nur bei rund 20 Prozent der Befragten die Ausgaben für die Kunst überhaupt abdecken. Für alle anderen bleibt die künstlerische Arbeit mehr oder weniger ein Ausgabenposten. Für mehr als ein Drittel sogar ein ganz markanter – hier stehen den Ausgaben so gut wie gar keine Einkünfte gegenüber.
Zuverdienst durch Zusatzjob
Da die meisten von der Kunst nicht leben können, üben 58 Prozent parallel zu ihrer künstlerischen Arbeit eine Nebentätigkeit aus. Dabei handelt es sich zu gut einem Drittel (32,5 Prozent) um kunstferne Tätigkeiten. Jeweils mehr als ein Viertel verschafft sich den Nebenverdienst durch kunstnahe Tätigkeiten zum Beispiel in Galerien (27 Prozent) oder geht einer Lehrtätigkeit (28 Prozent) nach. 6,5 Prozent haben einen Minijob. Etwa zehn Prozent der Künstler leben zeitweise oder kontinuierlich zu mehr als 50 Prozent von staatlicher Unterstützung. Etwa 15 Prozent bestreiten ihren Lebensunterhalt zu über 50 Prozent von anderen Einkünften und Zuwendungen. Dazu zählt beispielsweise die Unterstützung vom Partner oder durch die Familie (je 42 Prozent). Nur 4,2 Prozent verfügen über einen Mäzen, der ihre künstlerischen Aktivitäten fördert. Immerhin fünf Prozent – in der Regel nach Berlin gezogene Künstler – bekommen aus ihrem jeweiligen Heimatland eine finanzielle Zuwendung (Stipendium o. ä.).
Lücke in der Bezahlung
Auch in der Kunstwelt existiert ein Gender Pay Gap. Das lässt sich sehr gut weltweit beobachten. Die 50 teuersten bildenden Künstler sind derzeit Männer, wie ein für das „Manager Magazin“ erstellter 2017er Kunstindex zeigt. Aber auch in der Künstlermetropole Berlin ist eine deutliche Differenz zwischen den Einkünften erkennbar. Die durchschnittliche Höhe der Einkünfte beträgt laut Studie 9.600 Euro pro Jahr. Bei 11.662 Euro Einkommen der Männer und 8.390 Euro der Frauen ergibt sich ein Gender Pay Gap von 28 Prozent. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit Berechnungen der Künstlersozialkasse. Diese hatte für 2017 anhand eigener Zahlen für Berliner Künstler einen Gender Pay Gap von 29 Prozent errechnet. Somit liegt dieser Wert sogar über vergleichbaren Zahlen in der Wirtschaft hierzulande. Dort bezifferte das Statistische Bundesamt ihn gemäß EU-weit geltender Indikatoren mit 21 Prozent.
Altersarmut sicher zu erwarten
Laut Studie liegt die Rentenerwartung der Künstler durchschnittlich bei 357 Euro im Monat. Die Hälfte rechnet sogar nur mit 280 Euro monatlicher Rente. Damit bleiben Künstler ganz unten auf der Einkommensskala im Rentenalter und liegen rund 500 Euro unter der Durchschnittsrente. Für die allermeisten dürfte im Ruhestand die Grundsicherung erforderlich sein. Zumal auch nur 23 Prozent der Künstler über ihren gesetzlichen Rentenanspruch hinaus Einnahmen (Erbe, Vermietung, Kapitalerträge) beziehen oder erwarten. Letztlich gibt denn auch nur jeder Zehnte (9,5 Prozent) an, dass er seinen Lebensunterhalt mit der Rente beziehungsweise zusätzlichen Einnahmen bestreiten kann. Alles in allem gehen die Studienautoren davon aus, dass 90 Prozent aller Künstler von Altersarmut betroffen sind oder sein werden.