Vorsichtige Hoffnungen: Demenzrisiko in Europa sinkt
Mit dem Anstieg der Lebenserwartung wäre eigentlich auch ein steigendes Demenzrisiko verbunden. Doch dem ist nicht so – zumindest nicht in Europa.
Lebensqualität wie Erinnerungsfähigkeit im Alter ist ein hohes Gut. Auch deshalb haben viele Menschen Angst vor Demenzerkrankungen und damit verbundenen Belastungen und Einschränkungen. Doch unlängst berichteten Ärzte über Anzeichen einer erfreulichen Entwicklung. Zumindest in Europa könnte es eine Trendwende geben. Trotz einer höheren Lebenserwartung in der westlichen Welt verzeichnen Ärzte dort keine Zunahme des Demenzrisikos. Im Gegenteil, es wurden weniger neue Fälle als erwartet registriert. Das haben übereinstimmend Studien in England, Schweden sowie in den USA gezeigt.
Wer gesünder und gemeinsam lebt, beugt vor
Für den Rückgang des Demenzrisikos in diesen und anderen europäischen Ländern führen Experten als Hauptgründe eine verbesserte Lebensführung einschließlich Bewegung und gesunder Ernährung sowie einen insgesamt höheren Bildungsstand an. Zwar können Bildung und vor allem kontinuierliche geistige Beschäftigung wesentliche Faktoren sein, um das Demenzrisiko zu reduzieren, doch Intelligenz allein schütze niemanden. Dennoch empfehlen Fachleute, die Plastizität des Gehirns anhaltend zu nutzen. Dies gleiche die Folgen einer Demenzerkrankung länger aus. Zu rund 30 Prozent könne das Demenzrisiko auch durch eine gesunde Lebensweise reduziert werden, meint etwa Robert Perneczky, Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie an der Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Alles, was Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingt, erhöht zugleich das Demenzrisiko. Doch auch die Ehe kann eine schützende Kraft entfalten. So haben britische Forscher herausgefunden, dass lebenslange Singles gegenüber Verheirateten ein um 42 Prozent höheres Demenzrisiko tragen.
Auch wenn solche Studien Anlass zu Hoffnungen liefern, gibt es noch keine Entwarnung. Erstens ist das krankhafte Vergessen nach wie vor nicht heilbar. Bisherige Erwartungen an mögliche Therapieansätze haben sich (noch) nicht erfüllt. Zweitens befinden sich in Afrika und Asien Demenzerkrankungen weiter stark auf dem Vormarsch. Auch die Zahl der in Deutschland lebenden rund 1,6 Millionen Demenzkranken wird voraussichtlich weiter steigen, wohl aber nicht in dem Ausmaß, wie bisher befürchtet. Das zeigen verschiedene Szenarien, die die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. veröffentlicht hat.
Mit dem Alter steigt die Gefahr
Das Demenzrisiko steigt zudem mit fortschreitendem Alter. Hat ein 65-Jähriger noch ein äußerst geringes Risiko einer Demenzerkrankung von einem Prozent, liegt es ab dem 70. Lebensjahr schon bei fünf und ab einem Alter von 80 Jahren sogar bei 15 Prozent. Bei den 85-Jährigen betrifft das Demenzrisiko bereits jeden Vierten, bei den 90-Jährigen beträgt es schließlich bis zu 50 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch, dass über die Hälfte der 90-Jährigen von Demenz verschont bleiben kann. Grundsätzlich haben Frauen ein signifikant höheres Risiko, an einer Demenz zu erkranken.
Weltweit: verdreifachte Zahl, verdoppelte Kosten
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sich die Zahl der Demenzkranken bis zum Jahr 2050 weltweit auf 152 Millionen Menschen etwa verdreifachen. Experten von der internationalen Fachorganisation Alzheimer Disease International (ADI) schätzen die Zahl der Erkrankungsfälle etwas geringer ein. Demenz wird neben Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu einem der markantesten Gesundheitsthemen unserer Zeit. Die WHO geht davon aus, dass jährlich nahezu zehn Millionen Menschen eine Demenz entwickeln. Davon stammen rund 60 Prozent aus Entwicklungs- oder Schwellenländern. Weltweit werden die derzeitigen Kosten der Demenz jährlich auf 818 Milliarden Dollar (etwa 692 Milliarden Euro) beziffert. In einem WHO-Szenario verdoppelt sich diese Summe bis 2030 sogar. Nach ADI-Angaben werden die globalen Kosten jedoch bereits 2018 die eine Billion-US-Dollar-Grenze überschreiten.
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