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    Demographie

    In die Zukunft geschaut: So altert und schrumpft unser Land.

    Demographie | 18.2.2019 Drucken

    Generationenkampf im Römischen Reich

    Altersvorsorge, Altersgrenzen, Altersarmut – viele Fragen drehen sich um das Alter. Doch was ist eigentlich das Alter und wann gilt man als man alt?

    Vielfältig und ganz unterschiedlich haben westliche Gesellschaften der letzten Jahrtausende auf diese Fragen geantwortet. Dabei zeigen schon wenige beispielhafte Entwicklungen und Perspektiven von Athen bis in unsere Zeit, dass unser heutiges Verständnis vom Alter nicht so universell und selbstverständlich ist, wie wir häufig annehmen oder vielleicht gerne hätten.

    Kaiser AugustusDie großen Staaten würden von jungen Leuten zerrüttet, lässt Cicero im Todesjahr von Julius Caesar seinen fiktiven Cato sagen. Die jungen Politiker seien sowieso nichts weiter als „milchbärtige Burschen“. Vor allem aber würden „nicht durch Kraft oder körperliche Behändigkeit und Schnelligkeit große Leistungen vollbracht, sondern durch besonnenen Rat, das Ansehen der Person, gereiftes Urteil: Eigenschaften, die im Alter nicht verlorenzugehen, sondern sogar noch zuzuwachsen pflegen“.

    Während die intellektuelle Elite noch zum Ende der Republik die Vorzüge des Alters betonte, sollte sich das gesamtgesellschaftliche und politische Altersbild im Zuge einer grundlegenden Reform des Staates radikal wandeln. Die positiven Zuschreibungen alter Menschen, wie zum Beispiel die dignitas, gravitas und auctoritas, also Würde, gewichtiger Ernst und Ansehen, leiteten sich direkt von der patria potestas ab: von der besonderen Stellung und Machtfülle des Vaters bis hin ins hohe Alter. Als diese zugunsten des Zentralstaates zunehmend unter Beschuss geriet, wurden das Alter und alte Menschen allgemein kritischer gesehen. Damit einhergehend wurden die Vorzüge und Nachteile des Alters zunehmend anders gewichtet. Jung und dynamisch war in, weise und bedächtig out.

    Das Alter und die Macht des Vaters

    Wie in Athen war dieser Wandel eng verknüpft mit dem Aufstieg eines modernen, dynamischen Herrschers. Hier hieß er nicht Perikles, sondern Augustus. Zunächst brach dieser langsam die pater potestas, welche sich vom Vermögen bis – zumindest ursprünglich – hin zur freien Entscheidung über Leben und Tod der Familienmitglieder erstreckte. Noch zu Republikzeiten gehörte der Sold, den der Sohn für seinen Militärdienst erhielt, selbstverständlich dem Vater. Auch Krankheit oder Geistesschwäche schränkten diese Machtfülle nicht ein. Augustus ermöglichte es den Söhnen erstmals, selbst Vermögen zu besitzen.

    Die Macht des Vaters wurde unter nachfolgenden Kaisern noch einmal massiv eingeschränkt. Willkürliche Enterbungen waren schließlich faktisch unmöglich und das größte Druckmittel zur Disziplinierung der eigenen Kinder damit hinfällig. Die zunehmende rechtliche Selbstständigkeit der Kinder (und im Übrigen auch der Ehefrauen) entzogen auch dem Alter seinen ehrfurchtgebietenden Glanz. Das damals eingeführte Wort nutzen wir heute noch: Emanzipation – das Loslösen (E-) aus der Hand des Vaters (-man‑), die einen greift (-zipation).

    Die Augusteischen Ehegesetze

    Ein besonders wichtiges Instrument und massiver Eingriff in die Privatsphäre waren die Augusteischen Ehegesetze (18 und 9 v.Chr.). Während das vordergründige Ziel eine staatlich verordnete Familienplanung war, sollten zugleich politische und gesellschaftliche Schlüsselstellen des Reichs verjüngt werden. Falls es beispielsweise zwei ähnlich qualifizierte Bewerber für das Amt des Konsuls gab, stellte bis dahin das Lebensalter im Sinne der größeren Lebenserfahrung das Zünglein an der Waage dar. Nun aber brachten der Familienstand und vor allem die Kinderzahl den entscheidenden Vorteil: Alter war nicht mehr Trumpf.

    Kern der neuen Gesetzgebung war, dass Männer zwischen 25 und 60 und Frauen zwischen 25 und 50 verheiratet sein mussten. Um dies auch durchsetzen zu können, schuf Augustus eine Einrichtung, die heute geradezu trivial erscheint: ein Geburtenregister. Nur so ließ sich das kalendarische Alter überhaupt erfassen. Durch diese Gesetze wurde somit erstmals eine offizielle obere Altersgrenze definiert. Das hohe Alter geriet zu einem eigenständigen Lebensabschnitt, der durch viele flankierende Maßnahmen als weniger nützliche und weniger wertvolle Phase diskreditiert wurde. Faktisch wurden die Augusteischen Ehegesetze (Lex Iulia et Papia) nie effektiv durchgesetzt, doch sie blieben noch bis ins 6. Jahrhundert offiziell in Kraft.

    Umbrüche und Verjüngung in der Politik

    Deutlich spürbar waren die Einschnitte für das politische Leben im Senat. Er zählte dank Ernennung auf Lebenszeit relativ viele hochbetagte Mitglieder. Älteren Senatoren fiel es auch leichter, ihre Macht schon allein durch dauerhafte Präsenz auszubauen, während die jüngeren tendenziell mehr Verpflichtungen außerhalb Roms hatten, auf Landgütern, in der Familie oder in anderen Ämtern. Sie fehlten deshalb häufig bei Sitzungen. Augustus führte eine Anwesenheitspflicht für Senatoren bis 60 Jahre ein. Die jüngeren Senatoren mussten nun ständig präsent sein, während die Anwesenheit der älteren als verzichtbar eingeschätzt wurde.

    Analog zur neu eingeführten Altersgrenze für gewisse militärische (Dekurionen) und juristische Ämter (Richter) wurden Senatoren ab 70 Jahren von vielen entscheidenden Kommissionen und Posten ausgeschlossen. Die ursprüngliche Funktion und Begründung als Ältestenrat (senex, lateinisch Ältester) verblasste zunehmend zu Gunsten eines Politikverständnisses, nach welchem Kompetenz und Macht nicht notwendigerweise und linear mit zunehmendem Lebensalter anwachsen.

    Altersgrenzen neu begründet

    Krankheit, Mangel und Schwäche begründeten die neuen Altersgrenzen. Reife, Weisheit oder Erfahrung spielten kaum noch eine Rolle. Vor dem Hintergrund des sich wandelnden Altersdiskurses, der sich unter Augustus politisch manifestierte, sind auch Ciceros Ausführungen zu Beginn des Artikels zu sehen. Sie waren weniger ein Ausdruck einer gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung als vielmehr eine versuchte Ehrenrettung der etablierten Kräfte – Cicero selbst blickte zu dem Zeitpunkt mit 62 Jahren auf eine überaus erfolgreiche Senatskarriere zurück und wollte seine Expertise wahrscheinlich für die sich anbahnende neue Ordnung als besonders wertvoll darstellen. Der Versuch misslang. In den Wirren nach Caesars Tod wurde auch Cicero 43 v. Chr. ermordet.

    In den anschließenden Machtkämpfen setzte sich ein milchbärtiger Bursche durch, nahm im Jahre 31 v. Chr. im Alter von 32 Jahren den Kaisertitel an. Er erweiterte das römische Reich nach außen, befriedete es nach innen und begründete eine beispiellose Friedens- und Blütezeit. Der Name des milchbärtigen Burschen war Gaius Octavius, genannt Augustus.

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