Debatte über Altersbilder
Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. Mit dieser Lebenserfahrung eröffnete Hermann Binkert, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts INSA Consulere, die Demografie-Debatte Deutschland 2019 in Berlin.
Wegen dieser Haltung, so Binkert, sind auch die Altersbilder je nach Generation sehr verschieden. Das zeigt die DIA-Altersstudie, die INSA regelmäßig durchführt. Danach hat die jüngere Generation ein deutlich düsteres Bild vom Alter als die Älteren selbst. Vor allem Einsamkeit verorten die Jüngeren in der Generation ihrer Großeltern. Fragt man hingegen die Gruppe 65+ selbst, sieht es schon ganz anders aus. Unter ihnen ist die Angst, einsam zu sein oder zu werden, viel weniger verbreitet. Selbst unter den Alleinstehenden, wo Einsamkeit am ehesten zu vermuten ist.
Außerdem weichen gefühltes und tatsächliches Alter um so mehr voneinander ab, je älter die Befragten sind. Die heute 60-Jährigen sind gefühlt 50. „Die Älteren sind gefragt, auch von der Politik“, stellt Binkert fest. Unter den Älteren ist die Wahlbeteiligung besonders hoch. Sie haben also überdurchschnittlich Einfluss auf politische Weichenstellungen. Es sage viel über eine Gesellschaft aus, wie diese sich gegenüber den Älteren und gegebenenfalls Pflegebedürftigen verhält.
Ältere sind keine homogene Gruppe
In der Diskussion über die Alterung unserer Gesellschaft und die damit verbundenen Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Familien folgte später der Hinweis, dass es das Alter eigentlich gar nicht gibt. Ältere seien keine homogene Gruppe. Die jungen Alten zum Beispiel sind noch ausgesprochen vital, engagiert und interessiert, überhaupt nicht zu vergleichen mit den Hochaltrigen, bei denen sich Gebrechlichkeit schon viel mehr bemerkbar macht.
Wie organisieren wir die Pflege?
Über den Generationen-Pakt im demografischen Wandel debattierte Kordula Schulz-Asche, Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit mit Helmut Muthers vom Bundesverband Initiative 50 plus, dessen Verband im vergangenen Jahr die Demografie-Debatte angestoßen und bereits in mehreren Städten durchgeführt hat. „Bislang konnten sich die Kinder in der Regel die Pflege der Eltern teilen, weil es mehrere Kinder in der Familie gibt“, stellte die Grünen-Politikerin fest. Aber das ändere sich gerade. Sie sehe das in der eigenen Familie. „Ich habe nur eine Tochter, aber die hat zweimal Eltern.“ Die Gesellschaft müsse sich Gedanken machen, wie die Pflege organisiert werde. Einsamkeit sei eine der großen Ursachen für Pflegebedürftigkeit, stellte Kordula Schulz-Asche fest. Wenn Ältere immer seltener aus dem Haus gehen, sich immer weniger zutrauen, steige die Gefahr von Unfällen. Ein Sturz führe dann leicht zu schweren Brüchen und schon sei der Ältere auf Hilfe Dritter angewiesen.
Räume für Begegnungen
Aber Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung sind nicht nur im Pflegefall gefragt, sondern in jeder denkbaren Lebenssituation. „Wo sind die Räume, in denen sich Jüngere und Ältere begegnen?“, fragte Dompropst Prälat Tobias Przytarski vom Metropolitankapitel bei St. Hedwig in Berlin, während der Podiumsdiskussion. „Da müssen wir noch mehr Möglichkeiten schaffen, virtuelle und soziale Räume.“ Die Bereitschaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit sei nach wie vor vorhanden, aber sie zeige sich anders. Nicht mehr unbedingt als jahrelanges Engagement in einem Verein, sondern eher punktuell. Zusammenhalt in der Gesellschaft – das war eines der großen Themen in der Demografie-Debatte. Man könne eine Gesellschaft nicht mit dem Strafgesetzbuch allein führen und die Wirtschaft nicht nur mit dem Handelsgesetzbuch. Dafür brauche es schon ausreichend Zusammenhalt über alle Schichten und Generationen.
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