Pensionskassen unter Konsolidierungsdruck
Obwohl das Volumen des Pensionskassenmarktes im vergangenen Jahrzehnt stetig gewachsen ist, rechnet ein Großteil der Pensionskassenexperten (77 Prozent) mit einer weiteren Konsolidierung des Marktes.
Die Berichterstattung im Zusammenhang mit dem jüngsten BaFin-Pensionskassen-Stresstest halten nur wenige für hilfreich. Das ergab eine Umfrage im Rahmen des Pensionskassentags von Willis Towers Watson. Immerhin 23 Prozent gaben an, dass sie in den kommenden Jahren vor allem die Veränderungen im Zusammenhang mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz als Haupttrend im Pensionskassenmarkt sehen.
„Der Pensionskassenmarkt wird aktuell von zwei scheinbar gegenläufigen Trends geprägt“, erläutert Dr. Heinke Conrads, Leiterin der bAV-Beratung bei Willis Towers Watson Deutschland. „Einerseits wächst das Volumen. Die Zahl der Anwärter auf eine Pensionskassenrente ist in den letzten zwölf Jahren um 50 Prozent gestiegen. Der Umfang der Deckungsrückstellungen und der Kapitalanlage hat sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt. Andererseits verteilt sich dieses größere Volumen jedoch auf weniger Pensionskassen. So ist die Anzahl der Pensionskassen in Deutschland im gleichen Zeitraum um 13 Prozent gesunken. Die Umfrageergebnisse legen nahe, dass sich der Konsolidierungstrend fortsetzen wird.“
Betrugen die Deckungsrückstellungen der 158 Pensionskassen im Jahr 2004 noch 77 Milliarden Euro, lagen sie für 138 Pensionskassen im Jahr 2016 bei 148 Milliarden Euro. Der Umfang der Kapitalanlagen wuchs im gleichen Zeitraum von 80 Milliarden Euro auf 156 Milliarden Euro. Das Beitragsvolumen stieg um fast zwei Drittel von 4,2 auf 6,9 Milliarden Euro. Die Anzahl der Mitarbeiter, die über eine bAV-Anwartschaft über eine Pensionskasse verfügen, stieg von 5,2 auf 7,8 Millionen.
Kleinere Kassen haben es besonders schwer
„Dass manche Pensionskassen sich stark unter Konsolidierungsdruck sehen, ist mit Blick auf den sehr inhomogenen Markt und die aktuellen Herausforderungen allerdings verständlich“, betont Conrads. Während das Niedrigzinsumfeld auf der einen Seite Anlageerträge drastisch schmälert, geraten sie gleichzeitig auf der Kostenseite nicht zuletzt auch durch gewachsene operative, administrative und regulatorische Anforderungen unter Druck. „Dies erzwingt eine weitere Professionalisierung und Effizienzsteigerungen in nahezu allen Bereichen einer Pensionskasse – sei es im Hinblick auf Kapitalanlage oder Compliance bis hin zur Arbeitsorganisation und IT-Sicherheit. Gerade kleinere Pensionskassen haben es hier besonders schwer. Sie haben begrenzte Ressourcen und profitieren nur in geringerem Maße von Skaleneffekten“, so Conrads.
Regulierung als Herausforderung
Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) gab auch an, die Bewältigung der aktuellen operativen, administrativen und regulatorischen Anforderungen sei die größte Herausforderung im nächsten Jahr. Mehr als ein Fünftel (22 Prozent) der Pensionskassen sehen ihre Hauptherausforderung im kommenden Jahr im Niedrigzinsumfeld und in der Kapitalanlage. Vor allem mit der strategischen Weichenstellung für die zukünftige Positionierung beschäftigt sich ein Viertel (26 Prozent). „Diese Aufgabe sollte trotz oder gerade wegen der Mühe des Tagesgeschäfts nicht aus den Augen verloren werden“, so Conrads.
Auslagerung einzelner Funktionen
Um den operativen Herausforderungen effektiv zu begegnen, stehen je nach Situation der einzelnen Pensionskasse verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. „Pensionskassen können das notwendige Knowhow für das komplexere Kapitalanlageumfeld und die umfassenderen regulatorischen Anforderungen entweder im Haus aufbauen oder extern einkaufen. Dabei können mögliche Synergien aus der Kooperation mit anderen Pensionskassen geprüft oder einzelne Funktionen ausgelagert werden. Zum Beispiel die Geschäftsstellenfunktion, Administration, Kapitalanlage oder IT“, so Conrads.
Berichte über Stresstest als negativ empfunden
Die aktuelle Berichterstattung rund um den jüngsten BaFin-Stresstest empfinden Pensionskassenvertreter überwiegend als negativ (43 Prozent) oder allenfalls neutral (39 Prozent). Als hilfreich bewerten sie dagegen nur 18 Prozent. „Trotz der herausfordernden Situation einiger Pensionskassen sollte nicht übersehen werden, dass sich schon viele von ihnen intensiv mit dem Risikomanagement beschäftigt und sich solide für die Zukunft aufgestellt haben. Dies ist im Übrigen ein Trend, den wir allgemeiner in der betrieblichen Altersversorgung beobachten“, betont bAV-Expertin Conrads. „Laut dem deutschen bAV-Index von Willis Towers Watson sind in Deutschland 87 Prozent aller aktuellen bAV-Zusagen kapitalmarktorientiert gestaltet. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer eine werthaltige und langfristig solide finanzierte Zusage auf betriebliche Altersversorgung erhalten, während Unternehmen nicht mehr die Zinsrisiken schultern müssen.“
Conrads sieht insgesamt einen positiven Zukunftstrend für die Betriebsrenten. „Mitarbeiter erwarten eine bAV und Unternehmen nutzen eine solide aufgestellte bAV zunehmend strategischer im Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Das dürfte längerfristig so bleiben“, sagt die bAV-Expertin.
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