Keine einfache Lösung für doppelten Beitrag
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Belastung der Betriebsrentner mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung neu regeln.
In der Diskussion darüber ist immer von der längst fälligen „Abschaffung der Doppelverbeitragung“ die Rede. Doch in Wirklichkeit geht es bei den Plänen des Ministers um eine pauschale Entlastung der Betriebsrentner.
Bei vielen von ihnen liegt eine Doppelverbeitragung gar nicht vor. Die Begriffe gehen nämlich munter durcheinander. Eine Doppelverbeitragung besteht dann, wenn sowohl die Beiträge zur Finanzierung der künftigen Betriebsrente als auch die Betriebsrente selbst mit dem vollen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung belegt werden. Bei wie vielen Betriebsrentnern eine solche „echte“ Doppelverbeitragung besteht, lässt sich gar nicht exakt beziffern. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) beruft sich auf Schätzungen, wonach es sich um mehrere Hunderttausend handelt, die zumindest teilweise eine solche doppelte Beitragslast schultern müssen.
Bei mehr als 90 Prozent keine Doppelverbeitragung
Das sei zwar keine geringe Zahl, stellte Alexander Gunkel von der BDA jüngst auf dem Berliner bAV-Auftakt fest. Im Umkehrschluss gebe es aber für mehr als 90 Prozent keine Doppelverbeitragung. Das lässt sich auch erklären: Betriebsrenten, deren Aufbau vor 2002 begann, finanzierte in der Regel allein der Arbeitgeber. Auf seine Einzahlungen in die Betriebsrentenverträge entstanden keine Beitragsverpflichtungen. Seit 2002 können Arbeitnehmer bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in einen Betriebsrentenvertrag beitragsfrei einzahlen. Damit entstanden in der Einzahlungsphase überwiegend ebenfalls keine KV-Beiträge.
Das Dilemma begann 2004
Eigentlicher Stein des Anstoßes ist daher nicht die beschriebene Doppelverbeitragung, sondern die volle Beitragspflicht, die 2004 für Betriebsrenten überraschend eingeführt wurden. Vorher galt nur der halbe Beitragssatz. Dabei spielte es keine Rolle, ob in der Einzahlungsphase Beiträge abgeführt wurden oder nicht. Im Vertrauen auf die vor 2004 geltende Rechtslage haben viele Arbeitnehmer daher tatsächlich zum Teil ihre künftige Betriebsrente aus beitragspflichtigem Entgelt aufgebaut. Sie gingen ja davon aus, dass bei Rentenzahlung so wie für die gesetzliche Rente auch nur der halbe Beitragssatz anfällt.
Vertrauensbruch in der Vergangenheit
Diese Annahme erwies sich als falsch. Dieser Vertrauensbruch in der Vergangenheit erzürnt vor allem die Betroffenen. Selbst wenn der Gesetzgeber wollte, kann er ihn heute aber nicht mehr zielgenau beseitigen. So lässt sich gar nicht mehr ermitteln, welcher Anteil beitragsfrei und welcher mit Beitragsabzug eingezahlt worden ist. Daher nun auch der aktuelle Vorschlag, einfach wieder zum halben Beitragssatz zurückzukehren. Daraus ergibt sich eine pauschale Entlastung für alle Betriebsrentner.
Gerechtigkeit ist schwer herzustellen
Das ist für den Ruf und die Förderung der betrieblichen Altersvorsorge ohne Frage positiv. Die Fälle einer tatsächlichen Doppelverbeitragung werden damit aber nicht vollständig beseitigt. Aus beitragspflichtigem Einkommen angesparte Betriebsrenten(teile) erfahren dann immer noch insgesamt eine 1,5fache Belastung mit KV-Beiträgen. Andererseits wird auch die große Mehrzahl der Betriebsrentner von Sozialbeiträgen entlastet, deren Renten aus beitragsfreien Einzahlungen stammen. Die Diskussion über die Beiträge auf Betriebsrenten zeigt, wie schwer es mitunter ist, durchgängig Gerechtigkeit zu erreichen.
Für einige Fallgruppen ging es schon voran. So schaffte das Betriebsrentenstärkungsgesetz die Doppelverbeitragung bei riester-geförderter bAV ab. Auch bei privat fortgeführten Pensionskassenzusagen ist damit seit dem GKV-Versichertenentlastungsgesetz vom 12. Dezember 2018 Schluss. Allerdings musste dieses Klarstellung erst durch einen längeren Klageweg vor Gericht erstritten werden.
Wer soll es bezahlen?
Wenn sich der Bundesgesundheitsminister mit dem Finanzminister über die Finanzierung der Entlastung aller Betriebsrentner einigt, dann wird das Thema wohl endgültig vom Tisch sein, auch wenn die Vertreter der reinen Lehre mit der pauschalen Lösung hadern. Im Gesundheitsausschuss treibt die Bundestagsfraktion Die Linke ohnehin schon seit einiger Zeit die Koalitionsfraktionen mit einem Antrag vor sich her. Ende Januar sollte der Antrag, der ebenfalls eine Reform der Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten vorsieht, abschließend behandelt werden. Die SPD-Fraktion ließ ihn erneut von der Tagesordnung streichen. Nach dem Vorstoß des Bundesgesundheitsministers gebe es eine neue Lage, lautet die Begründung. Nun müssen sich die Minister nur noch einigen, wer die Entlastung bezahlt. Drei Milliarden Euro sind dafür erforderlich.
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