Grundeinkommen birgt Risiken
Das von Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller initiierte solidarische Grundeinkommen ist mit nicht zu unterschätzenden Risiken verbunden.
Zu dieser Einschätzung gelangt der Arbeitsmarktexperte Joachim Wolff, der sich im IAB-Forum mit dem Berliner Modellprojekt auseinandersetzt.
Damit sei ein Vorschlag in die Sozialstaatsdebatte eingeflossen, der bei konsequenter Umsetzung einem Systemwechsel gleichkäme. Wolff räumt zwar ein, dass ein solches Grundeinkommen die Teilhabechancen von Arbeitslosen verbessern könne. Dennoch überzeuge das Konzept wegen der damit verbundenen Risiken nicht.
So besteht die Gefahr, dass reguläre Beschäftigung verdrängt und Wartearbeitslosigkeit begünstigt wird. Die Förderung beschränkt sich nämlich nicht nur auf besonders arbeitsmarktferne Arbeitslose. Die geplanten Tätigkeiten für die Bezieher des Grundeinkommens könnten von denjenigen Personen aus der Zielgruppe, die noch eine gewisse Arbeitsmarktnähe aufweisen, zumindest zum Teil auch in Form regulärer Beschäftigung ausgeübt werden. „Es könnten mithin in größerem Umfang ungeförderte Arbeitsverhältnisse wegfallen oder gar nicht erst entstehen“, gibt der Experte zu bedenken.
Gefahr von Wartearbeitslosigkeit
Das solidarische Grundeinkommen mindere zudem für die Betroffenen den Anreiz, sich nach ungeförderten Beschäftigungsverhältnissen umzuschauen. Wenn man davon ausgehe, dass nur Langzeitarbeitslose die Förderung erhalten sollen, könnte dies zum Abwarten der Arbeitslosen führen. Statt sich vielleicht auf eine befristete oder weniger attraktive Stelle zu bewerben, harren sie dann unter Umständen aus, bis sie einen Anspruch auf eine Förderung bekommen und damit eine aus ihrer Sicht attraktivere Stelle.
Bisherige Erfahrungen sprechen dagegen
Insgesamt dürfte ein solidarisches Grundeinkommen die Integration vieler Erwerbsloser in den allgemeinen Arbeitsmarkt erschweren, wenn es nicht zugleich gelingt, die Beschäftigungsfähigkeit der Geförderten zu verbessern. Das hält Joachim Wolff angesichts der Befunde zur öffentlich geförderten Beschäftigung aber nicht für sehr wahrscheinlich, zumal die Förderung nicht gezielt erfolgt.
Ein solches Grundeinkommen würde allerdings ein insgesamt höheres Lohnniveau im Niedriglohnsektor bewirken. „Diesen Effekt mag man begrüßen, er hat aber auch eine Kehrseite, da dadurch Beschäftigung wegfallen oder erst gar nicht entstehen könnte.“ Die bisherigen Erfahrungen mit öffentlich geförderter Beschäftigung sprechen ebenfalls tendenziell gegen das solidarische Grundeinkommen. So haben bereits verschiedene Studien gezeigt, dass zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) den Einstieg in ungeförderte Beschäftigung eher erschweren.
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