Arbeitswelt wandelt sich schneller als die Sozialsysteme
Unsere Arbeitswelt verändert sich. Die Berufswege werden individueller. Viele Erwerbsbiografien bekommen Brüche. Digitale Geschäftsmodelle führen zu neuen Erwerbsformen. All das wird vom bestehenden Sozialsystem aber nur unzureichend berücksichtigt.
Zu dieser Schlussfolgerung gelangt eine Studie zur Zukunft der Arbeit, die das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) hat anfertigen lassen. Erstellt hat die Studie f/21 Büro für Zukunftsfragen. Per Delphi-Verfahren wurden von März bis Juni 2018 Experten zu ihren Zukunftseinschätzungen bis zum Jahr 2030 befragt.
Ein Großteil von ihnen sprach sich dafür aus, dass das Normalarbeitsverhältnis nicht länger das alleinige Koordinatensystem für die Sozialsysteme sein darf. Es werde in Zukunft an Bedeutung verlieren. Dieses abhängige, in Vollzeit und unbefristet ausgeübte Beschäftigungsverhältnis gilt heute als typische Form von Erwerbsarbeit.
„Seit geraumer Zeit sind jedoch Anzeichen zu erkennen, dass die Vorstellung einer dauerhaften Vollzeitbeschäftigung als Maß aller Dinge nicht mehr im gleichen Grad wie in der Vergangenheit geteilt wird“, stellt Studienautorin Nora Stampfl fest. „So werden aufseiten der Arbeitenden zeitweise Unterbrechungen der Arbeitsbiografie freiwillig gewählt und als wünschenswert betrachtet.“ Die Unternehmen wiederum äußern Wünsche nach mehr Flexibilität in der Personalpolitik.
Lösungen für Plattformen gesucht
Zwar werde ein erheblicher Teil der Arbeitskräfte weiterhin im Normalarbeitsverhältnis gut versichert sein. Jedoch müssen für einen wachsenden Anteil atypisch Beschäftigter neue Lösungsansätze für eine soziale Absicherung geschaffen werden. So liefert das bestehende System zum Beispiel derzeit noch keine Antwort auf die Frage, wie die in der sich ausbreitenden Plattformökonomie Beschäftigten eine verlässliche Absicherung finden. Die befragten Experten erwarten daher vom Umbau der bisherigen Arbeitnehmerversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung eine systemische Stärkung der Rentenversicherung. Diese bezieht dann auch sozialversicherungsfreie Beschäftigte, Selbstständige und Beamte ein.
Auch eine komplette Neuausrichtung kam in der Befragung ins Spiel. In diesem Fall erwartet die Mehrheit der an der Studie Teilnehmenden, dass der Fokus eines zeitgemäßen Sozialversicherungssystems stärker auf der Versicherung der Arbeitsfähigkeit als auf dem Risiko der Arbeitslosigkeit liegt und individuelle Lebensläufe der Versicherten besser als bisher berücksichtigt.
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